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Thema der Woche | 4. Juni 2015

Wahlkampfendspurt

Die Kandidaten für die OB-Wahl im Überblick

Wer nimmt ab Dezember im Rathaus Platz? Sechs Kandidaten konkurrieren um die Nachfolge von OB Egon Vaupel bei der Direktwahl des Marburger Rathaus­schefs am 14. Juni. Im traditionell rot-grünen Marburg hat Sozialdemokrat Thomas Spies gute Chancen, nächster Rathauschef zu werden. Die rechnet sich aber sein CDU-Kontrahent Dirk Bamberger aus. Elke Neuwohner von den Grünen stzt zunächst darauf, in eine mögliche Stichwahl am 28. Juni zu kommen. Außenseiter sind Jan Schalauske (die Linke), Marius Beckmann (Die Partei), Rainer Wiegand (parteilos).

Thomas Spies

Einmal im Monat zieht der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Spies die grell-orange Kluft des Rettungsdienstes an und steigt in den Notarztwagen. "Das erdet", sagt der Arzt, der im Jahr 2000 in den hessischen Landtag wechselte. Und es relativiere die mitunter "kleinlichen Ängste und Ambitionen" in der Politik.

Als "Ur-Marburger" präsentiert sich der 52-Jährige OB-Kandidat, der freilich auch einen Namen im Landtag hat, wo er stellvertretender SPD-Fraktions­vorsitzender, Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD ist.

Tatsächlich ist der wortgewandte Redner aber auch tief verwurzelt in der Stadt, in der er als Sohn eines Malers und Bildhauers aufgewachsen ist und bis heute lebt. Dreimal gewann er den Wahlkreis. Zudem ist der Familienvater ein erfahrener Kommunalpolitiker, der vier Jahre im Marburger Stadtparlament saß und seit 2001 Kreistagsabgeordneter ist. "Marburg ist finanziell wirklich in einem guten Zustand, hat eine gute soziale Infrastruktur und ein angenehmes Klima der Offenheit", so Spies.

Spies hat eine kontroverse Diskussion um das privatisierte Marburger Uni-Klinikum vom Zaun gebrochen. "Hier haben Menschen Angst vor ihrem Klinikum", kritisierte er.

Und er brachte einen kommunalen Einstieg in das Universitätsklinikum ins Gespräch. Die Städte und Landkreise Marburg und Gießen könnten je 20 Millionen Euro investieren, um sich ein starkes Mitspracherecht zu sichern. Zudem könne das Land die aus dem Verkauf des Klinikums eingerichtete, 100 Millionen Euro schwere Behring-Röntgen-Stiftungnutzen, um die Mehrheits­ver­hältnisse zu ändern. Er versteht seine Ideen aber als Diskussionsgrundlage: "Ich möchte, dass wir vorbereitet sind." Wenn es etwa durch Aktienverschiebungen zu einer deutlichen Veränderung der Eigentumsverhältnisse kommt, kann das Land das Klinikum nämlich zurückkaufen. Zugleich betont Spies aber auch: "Natürlich ist es ein gutes Krankenhaus, in dem unglaublich engagiert gearbeitet wird."

Weiteres großes Thema für Spies ist die "digitale Stadt". Er möchte flächen­deckendes Wlan, Mitmach-Apps, lokalen Onlinehandel, lokale Dienst­leitungs­vermittlung, offene Kanäle für die Stadtverwaltung, Medienbildung und Hilfe zum Datenselbstschutz vorantreiben.

Dirk Bamberger

Ein typischer CDU-Mann ist er nicht. Er hat sogar darüber nachgedacht, aus der CDU auszutreten, als das Marburger Universitätsklinikum privatisiert wurde. Mit Dirk Bamberger (42) haben sich die Christdemokraten einen "kompletten Quereinsteiger" (Bamberger über Bamberger) für die Oberbürgermeisterwahl geholt. Dafür ist er nun der Kandidat des gesamten bürgerlichen Lagers einschließlich der FDP und der Wählergemeinschaften "Bürger für Marburg" und "Marburger Bürgerliste".

Der aus einer Marburger Handwerkerfamilie stammende Sparkassen­betriebs­wirt, stellvertretender Marktbereichsleiter der Sparkasse in Stadtallendorf ist, hat sich vor allem durch sein ehrenamtliches Engagement einen Namen gemacht: Seit 2007 ist er Wehrführer der Feuerwehr in Marburg-Mitte. Er hat das Blasorchester der Blauröcke gegründet, ehrenamtlich Trompetenunterricht für Kinder aus sozial schwachen Familien gegeben und engagiert sich für Gehörlose. Die Gebärdensprache ist nämlich seine Muttersprache – beide Eltern sind gehörlos.

Für die CDU war Bamberger, der seit 16 Jahren Mitglied ist, bislang kaum aktiv. Er gehört jedoch zu den Mitbegründern der Bürgerinitiative "L(i)ebenswertes Marburg", die Randale, Lärm und Dreck in der Oberstadt anprangert.

Als OB-Kandidat wirft er den politischen Gegnern nun "rote Fundamental­ideologie" und "grüne Ökodiktatur" vor. Nur den Linken Jan Schalauske hält er zumindest für einen "ehrlichen Typen". Unzufrieden ist er mit den nach seiner Einschätzung "zu hohen" Ausgaben der rot-grünen Koalition. Auch wenn die Einnahmesituation Marburgs außerordentlich gut sei, müsse – etwa bei den freiwilligen Leistungen und der Stadtverwaltung – mehr gespart werden.

Bamberger hat den Eindruck, dass der Autoverkehr in Marburg stigmatisiert werde. Das möchte er ändern. Zugleich bezeichnet er die Infrastruktur für Radler als "desaströs". Das Problem des Park-Such-Verkehrs möchte er mit einem "intelligenten Parkleitsystem" lösen. Zudem setzt er sich für ein langfristiges Stadtentwicklungskonzept ein.

Die Windkraft bleibt Wahlkampfthema, obgleich nach dem Fund von Rotmilan-Nestern gerade das Aus für die geplanten Windräder auf den Marburger Lahn­bergen verkündet wurde.

Elke Neuwohner

Ursula von der Leyen in Grün? Die Marburger Oberbürgermeisterkandidatin und Ärztin Elke Neuwohner mag den Vergleich eigentlich nicht. Schließlich stammt die 39-Jährige aus einer Arbeiterfamilie – weit weg von Adel und Dressurreiterei. Allerdings hat auch sie viele Kinder – drei Jungen und zwei Mädchen im Alter zwischen zwei und 17 Jahren, dazu noch ihre Arbeit als Ärztin und das politische Engagement. Das geht nur mit viel familiärer Unterstützung und einem Au-Pair-Mädchen.

Dass sie viele Dinge unter einen Hut bekommt, beweist sie aber schon seit Jahren. Die ersten drei Kinder wurden während des Studiums geboren. Trotzdem saß sie im Bundesvorstand der Grünen Jugend, im Uni-Senat, engagierte sich als Stupapräsidentin und erhielt ein Stipendium. "Politik war immer mein Hobby, die Grünen mein Anker", sagt Neuwohner. Seit 14 Jahren sitzt sie für die Umweltpartei im Stadtparlament, obwohl sie bis 2011 mit voller Stelle und Schichtdiensten als Assistenzärztin im Marburger Universitätsklinikum tätig war. Grenzwertig sei dies vor allem in der Chirurgie gewesen, wo Arbeitstage regelmäßig um 6.30 Uhr begannen und nicht vor 18.30 Uhr endeten.Heute teilt sie sich die Allgemeinmedizinerin eine Hausarztpraxis im Ebsdorfergrund.

Auch sie treibt die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft des Marburger Universitätsklinikums.

Elke Neuwohner wird von ihren Parteifreunden für ihren "ruhigen und sachlichen Politikstil" gelobt. Auch im Wahlkampf betont sie die Kultur des Miteinanders und hat wenig Verständnis für die harschen Angriffe auf den grünen Bürgermeister Franz Kahle, der kürzlich das Aus für den Windkraftstandort auf den Lahnbergen verkünden musste. "Der Standort war nicht nur eine grüne Idee", sagt die 39-Jährige. Es handele sich um einen ausgewiesenen Standort des CDU-regierten Regierungspräsidiums.

Ein weiteres Thema ist die Verkehrswende mit Tempo 80 auf der Stadt­auto­bahn und Tempo 30 in der Innenstadt. Das Fahrrad solle zu einem gleichberechtigten Verkehrsmittel werden.

Die rot-grüne Koalition möchte sie fortsetzen: "Wir haben die Stadt gut weiterentwickelt", sagt Neuwohner. Ihr erstes Ziel bei der Ober­bürger­meister­wahl ist die Stichwahl – schließlich haben die Grünen bei der letzten Kommu­nal­wahl knapp 23 Prozent der Stimmen geholt.

Jan Schalauske

Von der Marburger Linken ist Jan Schalauske als Kandidat im Rennen um die Nachfolge von OB Egon Vaupel nominiert worden. Der 34-jährige Politik­wissen­schaftler ist Stadtverordneter in Marburg und Vorsitzender von Die Linke Hessen. Die Sorge um das Universitätsklinikum ist auch für Schalauske ein wichtiges Thema. Er will die Privatisierung rückgängig machen, so wie es auch im Landtagswahlprogramm der Linken steht. Er spricht sich zudem für eine Sozialquote bei neuen Wohnungsbauprojekten und der Einstieg in den kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehr aus. Außerdem schreibt er der Marburger Linken auf die Fahnen, dass diese eine Debatte über Wohnungslosigkeit angestoßen habe.

Marius Beckmann

Zu den Außenseitern im OB-Wahlkampf gehört Marius Beckmann, 25, der für die vom ehemaligen Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn gegründete Satire-Partei "Die Partei" antritt und auf seinen Plakaten kühn für das Fluten der Oberstadt wirbt.

Sein Programm steht unter dem Motto: "Marburg, aber besser!", außerdem mache er den Job für die Hälfte des Geldes, das der Amtsinhaber verdiene.Er spriccht sich für mehr günstigen Wohnraum, gegen den Marktfrühschoppen und "Burschis" aus.

Rainer Wiegand

Der parteilose Rainer Wiegand, 57 Jahre, Künstler, der den Satire-Blog "Hessenhenker – der Galgenhumor-Blog" betreibt und Fantasyromane schreibt, spricht sich ebenfalls für kostenlosen ÖPNV aus: "Als Oberbürgermeister möchte ich das Stadtparlament überzeugen, die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs im Stadt- und Stadtteilbereich für die Fahrgäste faktisch kostenfrei zu ermöglichen. Mobilität ist Leben und auch Teilhabe am Leben."

gec/kro

Thema der Woche | 4. Juni 2015

Wahlkampfendspurt

Die Kandidaten für Oberbürgermeister- und Landratswahl im Überblick

Wer nimmt im Rathaus Platz? Vier Kandidaten konkurrieren bei der Direktwahl des Gießener Rathausschefs am 14. Juni. Und gleichzeitig wird auch im Kreis gewählt. Bei der Landratswahl treten drei Kandidaten an.

In der Stadt will Dietlind Grabe-Bolz ihren Posten verteidigen. Die 57-jährige Sozialdemokratin hatte 2009 mit 55,5 Prozent den CDU-Amtsinhaber Heinz-Peter Haumann klar besiegt. Ein wichtiges Thema für Grabe-Bolz, die zuvor lange in der Erwachenenbildung bei der Kreisvolkshochschule arbeitete, ist die Bürgerbeteiligung. Sie tritt dafür ein, frühzeitig über Vorhaben und Entscheidungen von Politik und Verwaltung zu informieren und dafür bei den Bürgern zu werben. Wie schwierig das freilich sein kann, hat sich bei den Diskussionen mit den Befürwortern und Gegnern der Landesgartenschau gezeigt. Aber Grabe-Bolz ist überzeugt: "Trotz aller Meinungsverschiedenheiten ist es mir gelungen, unsere Stadtgesellschaft nicht auseinander fallen zu lassen." An die von ihr angestoßenen Bürgerbeteiligungsverfahren mit Bürgerbefragungen, partizipative Kulturentwicklungs- und Altenhilfeplanung, einem Mängelmelder oder auch zahlreichen Infoveranstaltungen in den vergangenen Jahren will sie weiter anknüpfen und die Bürgerbeteiligung weiter ausbauen.

Für die CDU tritt die 46 Jahre alte Rechtsanwältin Anja Helmchen gegen Grabe-Bolz an. Die Kleinlindenerin sieht Nachholbedarf bei der städtischen Wirt­schafts­förderung und will dazu die Hochschulen stärker einbeziehen, "um das vorhandene Inovationspotential effektiver mit den Unternehmen zu ver­knüpfen". Außerdem will Helmchen im Falle ihrer Wahl die Bau- und Planungspolitik in ihr Resort holen, weil es in Gießen an einem voraus­schauenden Städtebaulichen Konzept fehle.

Außenseiter im Kampf um das Oberbürgermeisteramt sind der 37-Jährige Medieninformatiker Ralf Praschek, der für die Piraten antritt und der 63-jährige Lehrer Wolfgang Höll, der seit rund 20 Jahren in Gießen lebt und als "Einzel­bewerber" antritt.

Anja Helmchen und Gregor Verhoff wollen Ihre Chance nutzen

Landratswahl

Im Kreis will Landrätin Anita Scheider ihr Amt verteidigen. Die 53-jährige Sozialdemokratin Schneider hat langjährige Verwaltungserfahrung, sie arbeitete unter anderem als persönliche Referentin des ehemaligen Gießener Ober­bürger­meisters Manfred Mutz, sowie im städtischen Finanzdezernat und leitete rund vier Jahre ein leitete Sozialrathaus in Frankfurt, bevor sie 2009 zur ersten Landrätin in Hessen gewählt wurde. Sie sieht es als ihre Aufgabe, für gleich­wertige Lebensverhältnisse im Kreisgebiet zu sorgen und den Kreis fit für die Zukunft zu machen, die Infrastruktur verbessern in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen und mit der Beteiligung der Bürger.

Der Lehrer Gregor Verhoff ist der Landratskandidat der CDU.Für den im Landkreis aufgewachsenen 37-Jährigen haben der Erhalt von bestehenden Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer Beschäftigungsverhältnisse zentrale Bedeutung. Wie die CDU-OB-Kandidatin spricht er sich dafür aus, die heimischen Hochschulen stärker einbeziehen, um den Technologie- und Wissenstransfer zu verbessern. Außerdem müsse die Infrastruktur des Kreises verbessert werden: Verhoff sieht bei der Verkehrsinfrastruktur, bei der Unterhaltung der Kreisstraßen einen "Sanierungsstau".

Außenseiter im Rennen ums Landratsamt ist der 39-jährige Politik­wissen­schaftler Sascha Endlicher aus Reiskirchen, der für die Piraten antritt.

Wahlhelfer gesucht

Am 14. Juni 2015 findet die Oberbürgermeister- und Landratswahl statt. Damit die circa 62 000 Wahlberechtigten ihre Stimmen abgeben können, laufen im Wahlamt der Stadtverwaltung Gießen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Hierzu gehört auch, für die insgesamt 66 Wahlbezirke ca. 600 ehrenamtliche Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu finden. Eventuelle Stich­wahlen sind für den 28. Juni 2015 angesetzt.

"Wir sind bestrebt, bei der Besetzung der Wahllokale die zulässige Höchstzahl von neun Personen zu erreichen, so dass sich die Mitglieder der Wahlvorstände zeitweilig ablösen können, ohne die vorgeschriebene Mindestbesetzung zu unterschreiten", erklärte Steffen Viehmann von der Abteilung Wahlen. So könne eine Vormittags- und Nachmittagsschicht eingeteilt werden.

Für die Ausübung des Ehrenamtes wird ein Erfrischungsgeld in Höhe von 30,- Euro gezahlt. Interessierte Bürger können sich telefonisch bei der Stadt­ver­waltung Gießen, Telefon: 0641 306-1024/-1012 melden.

kro

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