Der hessische Verfassungsschutz stuft Mitglieder der beiden Marburger Burschenschaften Germania und Rheinfranken als rechtsextrem ein.

Das wurde durch eine kleine Anfrage der grünen Abgeordneten Lara Klaes und Vanessa Gronemann an Hessens Innenminister Roman Poseck bekannt. Beide hatten sich erkundigt, welche Erkenntnisse dem Verfassungsschutz zu Rechtsextremismus in hessischen Burschenschaften vorliegen. Aus Posecks Antwort geht hervor, dass sich die Landesbehörde ausschließlich mit Burschenschaften aus Marburg beschäftigt – allen voran mit den Verbindungen Germania und Rheinfranken. Deren “Aktivas” beobachtet der Verfassungsschutz, da er sie als rechtsextrem bewertet. Mit dem Begriff werden alle Mitglieder einer Burschenschaft bezeichnet, die noch studieren. Um wie viele Personen es sich dabei genau handelt, lässt Poseck offen – lediglich von einem “Personenpotential im niedrigen zweitstelligen Bereich” ist die Rede.

Posecks Antwort belegt zudem, dass dieser Personenkreis in der Vergangenheit Verbindungen zu anderen rechtsextremen Gruppen hatte. So gab es laut Verfassungsschutz einzelne Bezüge zwischen der Germania und den Parteien Der III. Weg sowie Die Heimat. Letztere war bis 2023 als NPD bekannt. Einzelne Mitglieder der Germania seien zudem Mandats- und Funktionsträger der Jungen Alternative geworden – hierbei handelt es sich um die Jugendorganisation der AfD, die seit April 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Auch konnte die Behörde eine Verbindungen zwischen der Aktivas der Germania und der sogenannten Identitären Bewegung feststellen: Unter anderem sei ein Germania-Mitglied Regionalleiter des hessischen Ablegers der rechtsextremen Gruppierung gewesen. Dieselbe Person habe sich zeitgleich im Dachverband “Deutsche Burschenschaften” als Funktionär betätigt.

Berichte über Verbindungen zu anderen rechten Gruppierungen gibt es schon länger. So gilt es als gesichert, dass bereits 2017 eine Veranstaltung der Jungen Alternative in den Räumen der Germania stattfand, bei dem ein Gründungsmitglied der Initiative “Ein Prozent” anwesend war. Zuletzt gab es Spekulationen darüber, dass der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner für eine Lesung aus seinem Buch “Remigration: Ein Vorschlag” in eines der Verbindungshäuser in der Lutherstraße kommen könnte. Sellners Lesung fand zwar im benachbarten Gladenbach statt – die Verbindunghäuser dienten jedoch in den letzten fünf Jahren mehrmals als Versammlungsort für rechtsextremistische Veranstaltungen, wie Posecks Antwort deutlich macht. Unter anderem kam es am 6. November 2021 zu einer Vortragsveranstaltung im Haus der Normannia-Leipzig zu Marburg, die von einem Mitglied der Rheinfranken angemeldet wurde. Als Redner trat eine Person auf, die vom Verfassungsschutz als A. S. bezeichnet wird und die an der Kampagne “Defend Europe” teilgenommen haben soll. Dabei charterten Aktivisten der Identitären Bewegung das Forschungsschiff “C-Star”, um Nichtregierungsorganisationen bei der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer zu behindern. Ein Facebook-Post der Normannia-Leipzig vom 7. November 2021 legt nahe, dass es sich bei A. S. um den Vizekapitän der C-Star, Alexander Schleyer, handelt.
Auch im Verbindunghaus der Germania haben sich nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Rechtsextreme versammelt. 2019 hielten Aktivisten der “Neuen Rechten” dort eine Konferenz unter dem Titel “Junges Europa” ab. Im Oktober 2022 organisierte die Germania zudem einen Vortrag zum Thema “ganzheitliche Wehrhaftigkeit” in ihren Räumlichkeiten. Einer der Referenten war laut der Behörde ein Rechtsextremist aus Schweden, der zuvor am “Kampf der Nibelungen” teilgenommen hatte – einem rechtsextremen Kampfsportevent, das als größtes seiner Art in Europa gilt.

Hier geht es zur vollständigen Antwort von Innenminister Roman Poseck: https://starweb.hessen.de/cache/DRS/21/3/00653.pdf

LB

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg