Das Jäger-Denkmal im Schülerpark soll von einer Gedenkinstallation für Opfer der Marburger Jäger umrahmt werden. Je nach Blickwinkel verdeckt diese Installation teilweise die Sicht auf das bestehende Bauwerk.
Das ist das Konzept des Künstlers und Kommunikationsdesigners Heiko Hünnerkopf, der den international ausgeschriebenen Kunstwettbewerb für eine Gedenkinstallation für die Opfer der "Marburger Jäger" gewonnen hat. Seine Installation mit dem Titel "Verblendung" soll möglichst noch dieses Jahr umgesetzt werden.
Hünnerkopfs Idee ist es, viertelkreisförmig Winkelprofile vor dem Jäger-Denkmal installieren. "Wir beseitigen die Geschichte nicht. Aber das Kunstwerk 'Verblendung' tritt in eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Jäger-Denkmal", sagte Oberbürgermeister Thomas Spies bei der Gewinnerpräsentation des Wettbewerbs. "Es stellt sich der gewaltigen Säule des Jäger-Denkmals. Dabei lässt es das Denkmal nicht verschwinden, sondern setzt einen klaren Gegenpunkt", so Spies. "Ich wünsche mir, dass Menschen durch eine solche optische Irritation dazu angeregt werden, sich mit der Installation, den Marburger Jägern und deren Opfern auseinanderzusetzen."
Angesichts der Vielzahl an qualitativ sehr guten Ideen sei der Jury die Entscheidung nicht leichtgefallen, unterstrich Spies, der den Vorsitz der neunköpfige Jury inne hatte.
"Wir wollten das Thema Gedenkinstallation politisch angemessen darstellen in hoher Qualität. Daher haben wir den Wettbewerb international ausgeschrieben und einige Kunstschaffende als Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesetzt", erklärte Kulturamtsleiter Richard Laufner.
In der Begründung der Jury des Kunstwettbewerbs heißt es: "Mit seinem Entwurf 'Verblendung' findet der Künstler und Kommunikationsdesigner Heiko Hünnerkopf eine verständliche, aber keineswegs triviale Formsprache. Mit starker Wirkung im öffentlichen Raum und als kritischer Kommentar zum Jäger-Denkmal ist die 'Verblendung' doppeldeutig gemeint: Als optische (Teil-) Verblendung dieses Denkmals von 1923, aber auch als Thematisierung der ideologischen Verblendung der 'Marburger Jäger' als angesehene Akteure der Marburger Stadtgesellschaft in einem militaristischen Kaiserreich. In der Gestaltung ist die künstlerische Intervention sanft und radikal zugleich: Sie lässt das Jäger-Denkmal einerseits unberührt und sorgt doch für eine visuell eindringliche Irritation. Der überzeugende Gesamteindruck wird komplettiert durch Detailinformationen an den Winkelprofilen."
Der zweite Preis des Kunstwettbewerbs geht an Burkhard Hagen Fischer und seinen Entwurf "Die Anderen". Der dritte Preis geht an die Kunststudentin und Steinbildhauerin Antje Dathe aus Halle/Saale.
Express: Sie wollen mit Ihrem Kunstwerk das Jäger-Denkmal verdecken?
Hünnerkopf: Nein, ich will es nicht verdecken, sondern konfrontieren. Das Denkmal bleibt weiter sichtbar, aber eingeschränkt: Die halbkreisförmig angeordneten Winkelprofile meines Entwurfs sollen nur bruchstückhafte Einblicke auf den Ort gewähren, je nach Blickwinkel mal offener, mal geschlossener. So wie die Opfer und deren Angehörige vor den Bruchstücken ihres Lebens stehen, so sieht der Betrachter lediglich Fragmente des Denkmals. Mir geht es darum um einen Kontrapunkt zu setzen, zu den Taten der Marburger Jäger.
Express: Das machen Sie auch mit dem mehrdeutigen Titel "Verblendung" ...
Hünnerkopf: Es geht mir darum, die Unfähigkeit zur Einsicht zu Thematisieren. Dafür steht der doppeldeutige Titel der Installation. "Verblendung" nimmt zum einen bewußt Bezug auf den architektonischen Kontext als "Verkleidung, Abdeckung". Zum anderen befasst er sich mit der Begrifflichkeit, der Unfähigkeit zu vernünftiger Überlegung, zu Einsicht, dem Verblendetsein. Die Folgen dieses "Kadavergehorsams" sind uns hinreichend bekannt, so führten sie uns in zwei Weltkriege und eine NS-Diktatur.
Express: Was hat Sie gereizt, bei dem Kunstwettbewerb mitzumachen?
Hünnerkopf: Es geht um ein Thema, dass ganz Deutschland beschäftigt die Aufarbeitung der Geschichte, der Umgang mit dem deutschen Militarismus. Und wir sehen ja immer wieder, dass auch die Nazizeit noch nicht richtig aufgearbeitet ist.
Express: Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Marburger Jäger heute?
Hünnerkopf: Enorm. Schauen sie sich die aktuelle politische Entwicklung in Europa an. Da kann einem Demokraten nur Angst und bange werden. Ich glaube, es ist wichtiger denn je, dass man sich heute mit der Geschichte auseinandersetzt, so auch mit der Beteiligung der Marburger Jäger an Kriegsverbrechen,Terror und Völkermord.
In einer Zeit der Politikverdrossenheit und dem Erstarken der rechten Ränder in Europa liegt es an uns, in einer Demokratie aufmerksam sein, uns zu beteiligen und kritisch zu hinterfragen. Nur durch unser Zutun sichern wir den Frieden und tragen zur Völkerverständigung bei, damit wir nicht wieder die gleichen Fehler machen.
Interview: Georg Kronenberg