"Die Mehrheit der Bevölkerung wird ihren Lebensstandart im Alter nicht halten können, wenn sie nicht privat vorsorgt", sagt der Marburger Professor für Accounting & Finance, Oscar Stolper. Nach dem aktuellen Vermögensbarometer des Sparkassen- und Giroverbandes sorgen sogar 40 Prozent der Deutschen privat überhaupt nicht für das Alter vor, und ihr Anteil steigt: "Da muss etwas passieren", sagt Stolper, der über das Thema forscht und gemeinsam mit den Professoren Andreas Walter und Alexander Haas (beide Universität Gießen) einen interdisziplinären Workshop zum Thema "Private Altersvorsorge" organisiert hat.
Natürlich gibt es die große Gruppe derjenigen, die gar nicht privat vorsorgen können, weil sie zu wenig verdienen. Nach der DSVG-Studie sparen 61 Prozent der Menschen mit einem Einkommen von bis zu 1000 Euro nichts für die Altersvorsorge: "Für diese Haushalte ist die Rentenreform sehr problematisch", sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Es gibt aber auch viele Menschen, die sich Riester, Rürup und Co durchaus leisten können, sich aber trotzdem nicht darum kümmern.
Einen Grund sieht Stolper in den mangelnden Kenntnissen der Betroffenen: "Viele wissen nicht, dass sie einen Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung haben, um sich so eine Zusatzrente aufzubauen", so der Experte. Viele glaubten, dass sie nicht riestern dürften, obwohl sie dazu berechtigt seien.
Eine Rolle spielen natürlich auch die niedrigen Zinsen. Traditionell setzen die Deutschen nämlich auf Anlagen wie Sparbücher und Tagesgelder. "Sie haben eine sehr ausgeprägte Risikoaversion", erklärt Stolper. Von Generation zu Generation sei diese Geldkultur weitergegeben worden, die in früheren Zeiten durchaus vernünftig gewesen sei.In der aktuellen Niedrigzinsphase sei dies aber "extrem hinderlich", weil die Zinsen niedriger als die Inflationsrate sind. Doch auf Aktien oder Fonds, die auf Dauer mehr Rendite versprechen, wollen die meisten nicht wechseln. Stattdessen legten viele gar kein Geld für das Alter an. Wenn man das Vorsorgeverhalten der Deutschen ändern wolle, müsse man dieses Thema bearbeiten, so der Wirtschaftsexperte.
Unter unterschiedlichen Blickwinkeln beschäftigt sich der Juniorprofessor mit den Anlage- und Vorsorgeentscheidungen privater Haushalte. So hat er gerade gemeinsam mit seinem Giessener Kollegen Walter eine Studie über die Frage abgeschlossen, inwieweit die Handlungsempfehlungen von Finanzberatern umgesetzt werden. Dabei ging es um die Absicherung existentieller Risiken und die Altervorsorge. Der Ergebnis: Zwei Drittel der Kunden halten sich nicht an die Empfehlungen der Berater sie legen meist gar kein Geld an oder machen etwas ganz anderes. Ein Drittel folgt den Empfehlungen in irgendeiner Form. Die meisten unter ihnen beherzigen aber nur einen Teil der Ratschläge.
Besonders selten folgen übrigens diejenigen Kunden den Hinweisen der Berater, die selbst eine hohe Allgemeinbildung in Finanzfragen haben. Möglicherweise fürchten sie, dass ihre Berater nur ihre Provisionserträge maximieren wollten, mutmaßt Stolper. Dabei handelte es sich in diesem Fall um ein Finanzberatungsunternehmen mit einer standardisierten und damit für die Kunden transparenteren Beratung.
Wie es mit dem Vertrauen der Bürger in die Banken steht, hat Stolper gemeinsam mit zwei Gießener Kollegen anhand einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Bundesbank analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Ratsuchenden den Sparkassen und Genossenschaftsbanken deutlich mehr Vertrauen entgegenbringen als den Großbanken. Zwei Drittel der Kunden von Sparkassen und Genossenschaftsbanken hielten es für "eher wahrscheinlich", dass sie die Handlungsempfehlungen umsetzen. Bei den Großbanken waren dies nur 46 Prozent.
Übrigens gibt es zwei Situationen, in denen sich die Menschen besonders häufig um ihre Altersvorsorge kümmern: Wenn sie heiraten und wenn sie auf das 40. Lebensjahr zugehen.