EXPRESS: Sie sind Gründungsmitglied der DESERTEC-Stiftung, die sauberen Strom aus der Wüste gewinnen will. Es ist sehr still um DESERTEC geworden. Was ist aus dem Projekt geworden?
Düren: Die Idee von DESERTEC war, dass man das große Solar- und Windkraftpotenzial der Wüsten nutzt, um das Energieproblem auch in Europa zu lösen. In der Wüste in Afrika sollte sauberer Strom erzeugt werden, der auch nach Europa transportiert wird. Das Projekt hat aber nicht so funktioniert, wie gedacht.
EXPRESS: Warum?
Düren: Die Gründe sind nicht technischer sondern sozio-ökonomischer Natur. Tatsache ist, dass die Umwälzungen, die der Arabischen Frühling mit sich gebracht hat, die Investoren aus dem Westen verunsichert hat. Die westlichen Firmen wollen zurzeit nicht in den teilweise als instabil geltenden Ländern in Nordafrika investieren. Das ist ein wesentlicher Grund, warum es mit der Ursprungsidee von DESERTEC nicht voran geht. Der andere Grund ist, dass Deutschland zurzeit sehr viel Strom produziert und Europa aktuell nicht interessiert ist, Strom aus Afrika zu importieren.
EXPRESS: Deswegen sind die großen Firmen aus Deutschland ausgestiegen?
Düren: Ja. Dafür sind Firmen aus China und Saudi-Arabien in das DESERTEC-Konsortium eingestiegen. Der Fokus ist jetzt nicht mehr der Export des Stromes nach Europa, sondern die Deckung des steigenden Strombedarfs der nordafrikanischen und arabischen Länder.
Deutschland und Europa sind außen vor, was sehr schade ist, weil es bei dem Projekt nicht nur um die Energiegewinnung ging, sondern auch um Arbeitsplätze und eine Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nordafrika und Europa.
EXPRESS: Technologisch hätte der Stromtransport nach Europa funktioniert?
Düren: Die Technologien für die Produktion und den Transport von sauberem Wüstenstrom sind vorhanden und werden bereits in verschiedenen Regionen erfolgreich genutzt.
Im DESERTEC-Konzept ist gezeigt worden, dass sauberer Strom aus den Wüsten über Hochspannungs-Gleichstromleitungen über weite Strecken transportiert werden kann. Mit lediglich drei Prozent pro 1.000 Kilometer ist die Verlustrate relativ gering.
Die Standortvorteile von Solaranlagen in Wüsten gleichen diese Leitungsverluste mehr als aus.
EXPRESS: Sie sind Teilchenphysiker und erforschen den Aufbau der Materie. Mit DESERTEC arbeiten Sie an der Zukunft der Energieversorgung. Wie passt das zusammen?
Düren: Zunächst war die Beschäftigung mit dem Energiethema eher ein Hobby von mir, weil ich das Thema für wichtig hielt und weil ich als Kern- und Teilchenphysiker gewisse Grundlagen habe, um das Problem zu überblicken.
Und dann entsprach der Ansatz von DESERTEC, mit einem länderübergreifenden Netzwerk an der Energieversorgung der Zukunft zu arbeiten, in etwa dem Ansatz, wie man am europäischen Kernforschungszentrum CERN in der Schweiz forscht. Das Besondere dieses Instituts ist, dass dort über 10.000 Forscherinnen und Forscher aus 85 Nationen über weltweite Netzwerke zusammenarbeiten. Beeindruckend ist, was man durch diese Netzwerkstruktur alles erreichen kann, wenn alle an einem Strang ziehen, was im CERN der Fall ist.
EXPRESS: Als Teilchenphysiker ist Ihre Arbeit eng mit dem CERN verbunden.
Düren: Am CERN wird studiert, was die Welt im Innersten zusammenhält, was die elementarsten Bausteine der Materie sind. Ich habe am CERN schon meine Diplomarbeit an Experimenten in der Hochenergie-Physik gemacht. Beeindruckend am CERN ist, dass es eine sehr demokratische Organisationsstruktur gibt. Das heißt, dass auch Studierende oder Doktorandinnen und Doktoranden ernst genommen werden, wenn sie gute Ideen vorstellen.
EXPRESS: Als 2012 mit einem Experiment im CERN spektakulär das Higgs-Teilchen nachgewiesen wurde, war daran auch eine Arbeitsgruppe von Ihnen beteiligt.
Düren: Ja. An den Großversuchen in der Beschleunigeranlage im CERN war meine Gruppe beteiligt. Jetzt gerade im Juli hat man am CERN das Pentaquark-Teilchen entdeckt. Das ist nicht ganz so bekannt, wie das Higgs-Teilchen. Aber auch das Pentaquark-Teilchen ist eine wichtige Entdeckung, weil es in den 1960er Jahren theoretisch beschrieben und seitdem danach gesucht wurde.
Seine Entdeckung ist ein großer Schritt weiter zum Verständnis der Kernkräfte. Denn wir haben bis heute immer noch nicht wirklich verstanden, wie die Kräfte im Atomkern und innerhalb der Protonen und Neutronen zusammenwirken.
EXPRESS: Sie entwickeln an der JLU auch Messgeräte, mit denen sich die Bausteine der Materie identifizieren lassen?
Düren: Wir entwickeln in Gießen unter anderem Detektoren, mit dem die Teilchen, die etwa beim Beschuss in einem Teilchenbeschleuniger entstehen, identifiziert werden können. Diese Detektoren kommen im CERN und anderen Forschungseinrichtungen zum Einsatz.
Aktuell entwickeln wir neuartige Cherenkov-Teilchendetektoren. Ganz vereinfacht gesagt, kann damit die Geschwindigkeit der Kernbausteine gemessen werden, und dadurch indirekt bestimmt werden, um welche Teilchensorte es sich handelt.
EXPRESS: Wo finden Sie leichter Lösungen? Bei Ihren Forschungen an den Bausteinen der Materie oder bei den Forschungen zur Energieversorgung?
Düren: Für meine Arbeit an Energiefragen würde ich mir ein ähnliches internationales Forschungsinstitut wie das CERN wünschen, in dem alle Erkenntnisse aus der Forschung im Energiebereich zusammengetragen und offen diskutiert werden.
Aber in der Energiebranche spielt die Wirtschaft die dominierende Rolle. Es geht um sehr viel Geld und nicht nur um die wissenschaftliche Erkenntnis. Deshalb sind die Probleme der Energieversorgung sehr viel schwerer zu lösen, als die Probleme in der physikalischen Forschung.