Der Beduine kennt 27 Dutzend verschiedene Bezeichnungen für "Sand". Der Eskimo nutzt ein Repertoire von etwa 139 Schock andersartiger Worte für "Schnee". Kein Wunder. Denn Sprache bildet rund um den Globus Lebenswirklichkeiten ab. Das hat sich bewährt. Vor allem, wenn es ums Überleben geht.
Und hierzulande? "Wie sieht's denn draußen aus?" "Regen." "Wie, Regen?" "Na, Regen halt!" Himmel hilf. Ich muss da gleich raus. Ist es ein ausgiebiger Dauerströmer, der stets dann erscheint, wenn der Paraplü gerade seinen freien Tag hat? Ein unentschlossener Hüpfnässer, der von oben und unten zugleich spritzt? Der nebulöse Waberfeuchtling, dem selbst die intelligenteste Funktionsfaser kein Paroli bieten kann? Ein kurzer frühmorgendlicher Wolkenrülps? Ein harmloser Platzinger? Ein Giesling, Kannenplörr, Beschlagerer, Sintfließer, Kugeltropf? Nein: "Regen halt." Äußerst unbefriedigend.
Alle Welt sucht wahlweise Un- oder schönste Wörter. Dabei bräuchten wir viel eher eine Gilde solider Wortmetze. Es gibt so viel begrifflich zu machen. Wie heißt denn Nachbarschaft, die ihre Supermarkt-Stereoanlage vorzugsweise werktagnachts zwischen zwei und vier zur Rückkopplung zwingt? Was bezeichnet den gereckten Blecharsch von Gehwegzuparkern in seinen vielfältigen Erscheinungsformen? Oder notorische Kleinstbaustellen? Das fragt sich, während ihn die schlechtbeschriebene Lebenswirklichkeit mal wieder eine Nase dreht,