Aus dem Marburger Kulturleben ist es inzwischen kaum wegzudenken: das Turm-Café im Spiegelslustturm. Regelmäßg treten hier renommierte Musiker auf, wie etwa die Blues-Musiker Georg Schroeter & Marc Breitfelder. Die Hörtheatrale lädt im Sommer auf der Wald-Bühne vor dem Spiegelslustturm zu spannenden Kriminalhörspielen ein. Das "Thurmsingen", ein Liederabend zum Mitsingen an jedem ersten Freitag im Monat, ist für Sangesfreudige zur Institution geworden. Es gibt wechselnde Ausstellungen, Autorenlesungen und viel mehr. Dabei ist das Turm-Café, das am kommenden Wochenende mit einem Jubiläumskonzert seinen 10. Geburtstag feiert, weit mehr als ein Gastronomiebetrieb mit umfangreichen kulturellem Programm:
Der Verein MObiLO, der das Turm-Café betreibt, versteht sich als Selbsthilfeorganisation. Er hat sich aus einer Initiative von Mitarbeitern und Bewohnern eines Wohnheimes der Bürgerinitiative Sozialpsychiatrie heraus entwickelt, berichten Lutz und Karin Götzfried, die das besondere Projekt im Turm initiiert haben.
Der bereits 1997 gegründete gemeinnützige Verein will Arbeitsmöglichkeiten für psychisch Erkrankte schaffen und darüber hinaus Berührungsängste und Vorbehalte abbauen. Quasi als "Nebeneffekt" erfolgt auf diese Weise die Reintegration von Menschen, die aufgrund einer Erkrankung ihren Platz innerhalb der Gesellschaft verloren haben. "Wir wollten weg von der rein psychischen Nabelschau, weg aus der Käseglocke Wohnheim zu ganz praktischen Aufgaben", berichtet der ehemalige Sozialarbeiter Lutz Götzfried.
Ein erfolgreiches Konzept, wie der Betrieb im Turm-Café jeden Tag auf's Neue beweist. "Es ist ein tolles Erlebnis, wenn man sieht, wie sich die Mitarbeiter reinknien, auch wenn die Arbeit in der Gastronomie oft stressig ist", sagt Karin Götzfried.
Ein gutes Dutzend Mitarbeiter sind in Service, Gastronomie, Gelände- und Gebäudepflege sowie in der Geschäftsführung beschäftigt.
Fünf Jahre wurde das Projekt, durch den der historische Ort Spiegelslust mit dem Kaiser-Wilhelm-Turm wieder zu einem attraktiven Marburger Ausflugsziel gemacht wurde, von "Aktion Mensch" unterstützt. Die Förderung für das mit dem "Walter-Picard-Preis" des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen ausgezeichnete Projekt ist 2010 ausgelaufen. So ist das Turm-Café "eine Erfolgsgeschichte mit ungewisser Zukunft", sagt Karin Götzfried. Denn, das, was in den Sommermonaten erwirtschaftet wird, werde in der kalten Jahreszeit aufgebraucht.
Schwierigkeiten mache auch der Mindestlohn: "Da wir kein Integrationsbetrieb sind, haben wir auch keinen Anspruch auf Leistungsminderungsausgleich, was jetzt mit der Mindestlohnregelung, die wir grundsätzlich befürworten und auch für unsere Mitarbeiter mehr als verdient ansehen, uns besonders große Probleme schafft."
Bisher sei das Defizit durch die Förderung der Stadt, durch Spenden und durch Bußgelder aufgefangen worden. Da Spenden, Busgelder und Stiftungsgelder aber nicht fest einplanbar seien, ist der Verein auf der Suche nach weiteren Fördermöglichkeiten, um das Turm-Café und die Arbeitsplätze in Zukunft abzusichern.