Express Online: Thema der Woche | 27. Januar 2011

Der Leiharbeiter

Rüdiger Terpe vertritt Zeitarbeit-Mitarbeiter aus Nordhessen

Friedensdorf. Seine Biografie ist so flexibel wie seine Branche. Rüdiger Terpe hat seit seinem 16. Lebensjahr in mehr als einem Dutzend Betrieben in ganz Deutschland gearbeitet – zuletzt für einen Stundenlohn von 7,38 Euro. Heute ist der 52-Jährige freigestellter Betriebsrat für die Zeitarbeitsfirma Randstad. Seit April kümmert er sich um die Leiharbeiter aus Nord- und Mittelhessen, zum Teil auch aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Branchenriese Randstad ist nämlich die einzige Zeitarbeitsfirma Deutschlands, die einen flächendeckenden Betriebsrat hat.

Als "Kuriosität" bezeichnet ihn denn auch der Herborner Gewerkschaftssekretär Bernd Weise: "Wir sind richtig froh, dass wir mit ihm einen stabilen Ansprechpartner haben, der sich in der Region auskennt", sagt er.

Der gebürtige Hamburger hat nach einer Ausbildung als Landwirt und diversen Jobs viele Jahre als Sortierer bei der Post gearbeitet, bevor ihn die Liebe ins Marburger Land verschlug. "200 Bewerbungen habe ich geschrieben", erzählt Rüdiger Terpe. Es blieb nur noch die Zeitarbeit: "Da klappte es innerhalb von drei Tagen."

Seitdem hat er die Branche gründlich kennen gelernt: Er arbeitete als Aushilfskurier, als Laborhelfer und Arbeiter zunächst für die Zeitarbeitsfirma Persoplan, dann für Randstad. Dort gibt es nämlich 38 Cent mehr pro Stunde. Dass sich über 50-Jährige noch als Leiharbeiter verdingen, ist gar nicht selten, sagt Terpe. Es gibt aber auch viele junge Leute und Väter, die ihre Familie trotz vollem Job nur mit einer Hartz-IV-Aufstockung ernähren können: "Da fühlt man sich oft wie ein Mensch zweiter Klasse", sagt Terpe.

Am längsten war er bei Johnson Controls, einem Automobilzulieferer, der in Friedensdorf im Marburger Hinterland Autositze produziert: "Dort schaut das Stammpersonal nicht von oben herab", sagt Terpe. Schließlich besteht etwa ein Drittel der rund 1000-köpfigen Belegschaft aus Leiharbeitern. Als die Krise kam, waren sie die ersten, die gehen mussten. Als die Konjunktur wieder anzog, mussten sie mehr arbeiten, als für ihr Privatleben gut war. "Das Stammpersonal hatte eine Fünf-Tage-Woche. Wir haben fast immer sechs Tage gearbeitet", erzählt Terpe. Immer mehr Leiharbeiter seien darüber krank geworden.

Der 52-Jährige beschwerte sich: "Auch wir haben das Recht auf Freizeit und Erholung", rief den Kollegen in der Betriebsversammlung zu. Sie könnten noch nicht einmal Fußball spielen, ärgerte sich der Hobby-Kicker. Daraufhin hatten die Leiharbeiter zumindest zeitweise zwei freie Tage in der Woche. Er machte auch den Mund auf, als den Leiharbeitern keine Akkordzulage gezahlt wurde.

Terpe wurde Vertrauensmann der IG Metall und schließlich Betriebsrat. Seitdem reist er häufig, um die Leiharbeiter in den verschiedenen Betrieben zu besuchen. Dazu gehören nicht nur Metaller, sondern auch Pflegekräfte, Call-Center-Mitarbeiter und Sekretärinnen. Allein in Nordhessen sind dies mehrere Hundert Menschen. Sein grundsätzliches Ziel ist die Gleichstellung der Leiharbeiter: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Gesa Coordes