Der bundesweit bekannte Ökoaktivist Jörg Bergstedt (46) muss ins Gefängnis. Weil er Gengerste auf einem Versuchsfeld der Gießener Justus-Liebig-Universität ausgerissen hat, ist er zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil wurde jetzt auch in der dritten Instanz bestätigt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Revision als unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Der Fall: Im Juni 2006 zerstörte Bergstedt gemeinsam mit drei weiteren Mitstreitern ein Versuchsfeld der Justus-Liebig-Universität. Vor laufender Kamera durchtrennten die Aktivisten den Zaun und rissen einen Teil der gentechnisch veränderten Gerste auf der nur 9,6 Quadratmeter großen Fläche aus. Die Hochschule bezifferte den Schaden auf 50 000 Euro.
Wir sind zufrieden mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts", erklärte der Sprecher der Gießener Staatsanwaltschaft, Reinhard Hübner. Dagegen bezeichnet Bergstedt den Beschluss als ein "von Justiz, Politik und Gentechniklobby erhofftes Abschreckungsurteil": "Damit sollen andere Menschen davon abgehalten werden, sich gegen Gentechnik zu wehren", sagt der Anarchist und Kopf der Projektwerkstatt im mittelhessischen Saasen. Seine Haftstrafe muss er laut Staatsanwaltschaft frühestens im Herbst antreten.
Damit ist der Instanzenzug dieses ersten großen Prozesses um ein zerstörtes Versuchsfeld auch nach Bergstedts Einschätzung abgeschlossen. Trotzdem will der Politprovokateur versuchen, Verfassungsklage einzureichen. Dass er damit Erfolg hat, hält er indes selbst für unwahrscheinlich. Er stützt sich auf den Anspruch auf rechtliches Gehör. Vom Amtsrichter sei er rechtswidrig aus seinem eigenen Prozess entfernt worden. Und in der zweiten Instanz seien seine Beweisanträge in pauschalen Beschlüssen als bedeutungslos abgetan worden, kritisiert Bergstedt.
Allerdings hatte der Ökoaktivist die Prozesse auch als Forum für die Gentechnikgegner genutzt. Mit knapp 300 Anträgen versuchte er zu erklären, dass es keine legale Alternative gab, um den laut Bergstedt riskanten Genversuch zu verhindern. Er schilderte die Gefährlichkeit der Gentechnik, das Versagen der Genehmigungsbehörden, Verflechtungen zwischen Konzernen und Forschern sowie Verstöße gegen Sicherheitsauflagen. Aktivisten kletterten die Fassade des Gerichtsgebäudes hoch, Zuschauer wurden herausgetragen. "Dem fällt doch immer wieder etwas Neues ein, um den Prozess zu sabotieren", stöhnte die Staatsanwaltschaft damals.
Der Prozess gegen den Politprovokateur hätte aber auch anders ausgehen können: Gegen zwei der vier Aktivisten wurde das Verfahren eingestellt. Bergstedt erklärt sich das Urteil damit, dass er die Justiz schon lange ärgert: "Die Gießener Repressionsbehörden versuchen seit Jahren, mich hinter Gitter zu bringen." Nun scheint es zu klappen.
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