Express Online: Editorial | 29. April 2010

O Maienwunder

... der Holometabolie: Alle drei, vier, fünf Jahre große Aufregung im Insektenreich. Wird in gestaltwandlerischem Kräfteakt aus einem unterirdischen Volke von nicht so appetitlichen Engerling-Lemuren quasi über Nacht ein Heer glänzend braunschwarzweißer – Maikäfer.

Brummen heuer wieder einmal mit allerley romantischer Mystifikation befrachtet ungelenk durch den lauen Frühlingsabend. Dotzen gegen die Hauswand. Landen auf dem Rücken. Strampeln mit den Beinchen. Winken stummes S.O.S. mit wackeligen Antennenkämmen. Will jeder helfen, weil insgesamt weinselige Weltumarmungsstimmung heute abend auf dem Balkon. Will aber keiner anpacken.

So groß. So schwer. So hart. So kribbelig-krabbelig. Klammern kaum am rasch zusammengedrehten Papierserviettenzipfel, hängen schon am nackten Zeigefinger. So groß, so schwer, so hart. So vielgegliedert festkrallend. So stammesgeschichtlich ganz weit weg. Allgemeines Aufkreischen der Weiblichkeit, Ärmelschütteln, Stühlekippen: "Woisserhin?" – "Bloßnichdrauftretn!" – "Kummadafliechter!!" – "Gottseidank!" --

Wie heißt's so schön seit Johann Friedrich Reichardt anno 1781? "Maikäfer flieg." Also: Tu das gerne alle drei, vier, fünf Jahre. Aber bitte bleibe uns vom Leibe.

Michael Arlt

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