Express Online: Thema der Woche | 8. Januar 2009

Polit-Prominenz

Mit scharfen gegenseitigen Angriffen haben SPD und CDU die heiße Wahlkampfphase eröffnet.

Sitzplätze gibt's im Bürgerhaus von Friedensdorf schon lange nicht mehr, als der Ministerpräsident etwas verspätet zum Wahlkampfeinsatz im Marburger Hinterland eintrifft. Und der hält sich nach dem langanhaltenden Begrüßungsapplaus der CDU-Anhänger am Freitagabend nicht lange mit Freundlichkeiten auf: Sein SPD-Kontrahent Thorsten Schäfer-Gümbel sei schlicht zu feige offen zu sagen, dass er die Linkspartei für eine Regierungsmehrheit brauche, kritisiert Koch. Und wer zu feige sei, über potentielle Regierungspartner zu sprechen, "der kann nicht Ministerpräsident in Hessen werden".

Den Groß der Rede widmet sich Hessens erster Bürger aber der Wirtschaftspolitik. Koch, der vor einem Jahr eigentlich so gut wie abgewählt war und erst durch das SPD-Chaos seine zweite Chance bekam, versucht sich "in Zeiten wie diesen" als Garant für politische wie wirtschaftliche Stabilität zu generieren. Das macht er in ruhigem Tonfall und ohne übersprudelnde Emotionen. Er gibt sich als Fachmann, der detailreich beschreibt, warum der Frankfurter Flughafen zur Sicherung des Wohlstands ausgebaut und den Autobauern geholfen werden müsse: "Eine Regierung, die die Wirtschaft ernst nimmt ist eine Chance für Hessen, eine die nichts davon versteht, ist eine Gefahr!".

Kurz: ein Wahlkampf nach dem alten konservativen Motto "Keine Experimente!" eben, der von der Anhängerschaft freilich ausgiebig beklatscht wird.

Mit bundespolitischer Prominenz starten zwei Tage später die 2008 so gebeutelten hessischen Sozialdemokraten ihre heiße Wahlkampfphase. Zum zentralen Neujahrsempfang in der Gießener Kongresshalle ist Parteichef Franz Müntefering aus Berlin angereist, außerdem ein ganzes Tross von Berichterstattern, Fotografen und Kamerateams. Knapp 800 SPD-Anhänger sind gekommen, nicht wenige Jubeln ihrem heimischen Hoffnungsträger Thorsten Schäfer-Gümbel mit Pappschildern "Alle für Dich" oder "Alle für TSG" zu. Und hören, wie der SPD-Spitzenkandidat aus dem nahen Lich kämpferisch konstatiert "uns bläst der Wind heftig ins Gesicht" – aber er erlebe nach den Fehlern der Vergangenheit eine sehr geschlossene Partei, "die einen Neuanfang gewagt hat und nach vorne schaut". Mit Ministerpräsident Koch geht "TSG" hart ins Gericht: Koch stehe als "einer der letzten Marktliberalen für Egoismus in der Wirtschaftspolitik – und prangert das Versagen der Koch-Regierung auf dem Bildungssektor an.

Zusammen mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Franz Müntefering forderte Schäfer-Gümbel mehr Gerechtigkeit bei der Bewältigung der derzeitigen Wirtschaftskrise. Starke Schultern müssten dabei mehr tragen als schwache. Roland Koch habe dazu keine Antworten, weil seine Politik mitten in die Krise geführt habe.

Ob der miesen hessischen Umfrageergebnisse macht Münte den Genossen Mut: "Es wird ganz anders kommen und kommen müssen!" Immerhin habe er während seiner Anreise von Berlin festgestellt, "je näher wir der Stadt von Wilhelm Liebknecht und Thorsten Schäfer-Gümbel kommen, desto klarer wird die Sicht".

Wie sehr sich die Gewichte in der hessischen SPD in der jüngsten Zeit verschoben haben, wird en passant nach Ende der Veranstaltung deutlich: als Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, die den Neujahrsempfang eröffnet hatte, weitgehend unbeachtet die Gießener Kongresshalle verlässt. Münte und TSG sind schon länger weg – vom Tross der Fotografen begleitet.

Weiter geht's mit Polit-Prominenz in Mittelhessen unter anderem am Sonntag, 11. Januar, in Wetzlar – wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel zur CDU-Großveranstaltung in die Rittal-Arena kommt.

Georg Kronenberg

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