Express Online: Thema der Woche | 9. Oktober 2008

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40 Jahre Electronic Gaming – Wie wurden Computer- und Videospiele unsere Freunde, fragte sich Frank Magdans. Für sein Buch Game Generations hat der Marburger Journalist internationale Spieleentwickler und Szenekenner erzählen lassen.

Express: Man hat ja so ein Klischeebild vom typischen Computer-Nerd. Sind Gamer auch 2009 sozial vereinsamte Stubenhocker?
Frank Magdans: Nein, schon längst nicht mehr, und auch früher war es nicht so. Damals, Anfang der 1980er, habe ich immer mit meinem Nachbarn und Klassenkameraden gezockt, und auch von meinen heutigen Freunden weiß ich, dass sie meist nie allein vor dem Bildschirm gehockt haben. Jüngst erlebe ich, dass sogar ganze Familien mit Games Spaß haben. Das Bild vom vereinsamten Stubenhocker trifft eher auf all jene zu, die zuviel Zeit mit Online-Rollenspielen wie "World of Warcraft" verbringen.

Express: Wii-Controller, klassische Konsole oder PC – wie sehen die aktuellen Trends auf dem Spielemarkt aus?
Frank Magdans: Momentan kommen zunehmend Web-2.0-Elemente hinzu, etwa das Erstellen und Austauschen von eigens zusammengeschusterten Inhalten wie in "Spore" oder "Little Big Planet", die man dann über angeschlossene Netzwerke anderen Usern präsentieren, mitunter sogar teilen kann. Zudem schaffen es immer mehr Independent-Entwickler, dass ihre Kreationen über die Onlineplattformen der aktuellen Konsolen veröffentlicht werden. Und das befürworte ich sehr, da gerade unabhängige Entwickler oftmals richtig tolle Ideen haben.

Express: Zum Beispiel?
Frank Magdans: Petri Purho, den ich auch für das Buch interviewt habe, hat zum Beispiel "Crayon Physics" entwickelt, ein Computerspiel, bei dem der Spieler mit einem Ball Sterne sammeln muss, die nur schwer erreichbar sind. Dabei muss man den Ball in Bewegung bringen und diverse Hürden überwinden. Das geschieht jedoch nicht auf klassische Weise, sondern sämtliche Objekte müssen selbst gezeichnet werden. Man wird also selbst kreativ und lernt ein bisschen etwas über die Prinzipien der Schwerkraft. Außerdem hat "Crayon Physics" den Charme eines alten Nintendo-Titels – echt klasse.

Express: Und die Spiele der Zukunft, sagen wir in zehn Jahren?
Frank Magdans: Darüber lässt sich im Grunde eigentlich nur spekulieren. Das Einzige, das mir jetzt sofort in den Sinn kommt, sind die Forschungen, inwiefern es möglich ist, Aktionen über Gehirnströme auszulösen und zu steuern. Ob das einem dann auch Spaß macht, bezweifle ich. Aber je einfacher es funktioniert, umso größer stehen die Chancen, dass es sich durchsetzt. Das sieht man ja auch bei Nintendos DS und Wii.

Express: Kommen wir mal zum Traumberuf Entwickler. Wie stehen die Chancen, einen Job zu bekommen? Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Frank Magdans: Die Branche wächst, dennoch gibt es hierzulande auch Firmen, die in Geldnot geraten – insofern so lala. Andererseits gibt es inzwischen zunehmend Ausbildungsangebote, wobei der Großteil mit immensen Gebühren verbunden ist, was ich eine ziemliche Sauerei finde. Wie sollen da einkommensschwache Familien die Träume ihrer Kinder verwirklichen? Daher fände ich es gut, wenn es mehr staatliche Unterstützung geben würde. Doch wer's drauf hat und schon selbst eigene Games programmiert hat, der kann auch quer einsteigen. Letztlich geht es doch nur ums Know-how. Und wer etwas auf dem Kasten hat, der hat immer gute Chancen.

Express: Wie ist eigentlich die Rolle von Frauen und Mädchen in der Gamer- und Entwicklerszene? Gibt es die überhaupt auf dieser Seite vom Bildschirm?
Frank Magdans: Sicher. Nur nimmt man die meist nicht wahr, da sie überwiegend im grafischen Bereich arbeiten. Sie entwerfen Charaktere oder Gebäude, agieren gewissermaßen im Hintergrund. Regie und Produktion übernehmen eher die Männer, aber auch hier gibt es Ausnahmen wie Jane Jensen oder Jade Reymond. Doch egal welches Geschlecht, viele Entwickler sind so oder so nicht ausgesprochen populäre Köpfe. Wen kennen die Leute schon? Daher wollte ich auch ein Buch machen, das die Macher zeigt. Also habe ich mit so vielen wie nur möglich über ihre Karriere und ihre Ansichten gesprochen.

Express: Welches ist Dein persönliches Lieblingsgame?
Frank Magdans: "Day of the Tentacle" von LucasArts, weil es unglaublich lustig und skurril ist.

Express: Und, sagen wir als Abschreckung, der schlechteste Titel aller Zeiten?
Frank Magdans: Oh, da fallen mir gleich mehrere ein. Aber was davon der schlechteste Titel aller Zeiten ist? Viele halten ja "E.T." von 1982 als mies, sogar für so mies, dass es Stimmen gibt, die meinen, es hätte damals das Ende von Atari eingeläutet. Zu einem gewissen Teil stimmt das sogar, doch insgesamt wurden viel zu viele mittelmäßige Titel auf den Markt geworfen. Erst das hat der Industrie geschadet.

Frank Magdans, Game Generations, Schüren Verlag Marburg 2008, 19.90 Euro

Interview: Michael Arlt

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