Express Online: Thema der Woche | 11. September 2008

Liebes E-Klo ...

Happy Birthday E-Klo
Den Namem für das Fußgängerplateau am Selterstor haben sich angeblich Studenten aus dem "Akamik” (Akademischer Mickey Mouse-Club) ausgedacht. In der Nacht zum 28.9.1968, an dem das E-Klo und der zur Fußgängerzone umgestaltete Seltersweg eröffnet werden sollte, brachten die Akamik-Aktivisten in feuchtfröhlicher Runde dann ein großes Transparent mit der Aufschrift "Elefantenklo" am stolzen Bauwerk an. Was der damalige Gießener Oberbürgermeister Schneider wenig witzig gefunden haben soll ...
Das Geburtstags-Projekt: Zum 40. Geburtstag sind alle Bürger eingeladen, dem weit über die Gießener Stadtgrenzen hinaus bekannten Bauwerk zu gratulieren. Geburtstags- oder Liebesbriefe werden genauso angenommen, wie Kritisches zum Elefantenklo. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt – eingesandt werden können neben Briefen auch Kollagen, Zeichnungen oder Fotos. Die Geburtstagswünsche können bis zum 27.9. in dazu aufgestellten Briefkästen in den angrenzenden Geschäften eingeworfen, beziehungsweise per Post an die Gießener Stadtmarketing GmbH oder per E-Mail eingesandt werden.
Briefkästen bei: Karstadt, Lichthaus Rohrbach, Schuhhaus Darré, Dresdner Bank, C&A.
Postadresse: Gießener Stadtmarketing GmbH, Südanlage 4, 35390 Gießen
E-Mail: e-klo@gmx.de
kro
Schreib mal wieder. Zum Beispiel einen Brief an Gießens ungeliebtes Wahrzeichen, dem E-Klo, das demnächst stolz seinen 40. Geburtstag feiert

Eigentlich ist es ein Skandal: Fast wäre der 40. Geburtstag von Gießens bekanntestem – und freilich auch umstrittendsten – Wahrzeichen einfach vergessen worden – aller aktueller Stadtmarketing-Bemühungen von innerstädtischem Einzelhandel und Stadtverwaltung zum trotz. Dass es anders kommt, verdankt die am 28. September 1968 eingeweihte Fußgängerüberführung am Selterstor der Initiative von Lektor Andreas Matzek, 40, und Lehrer Peter Kosch, 42: Zum runden E-Klo-Jubiläum laden sie alle Gießener Bürger ein, dem Elefantenklo einen Geburtstags- oder Liebesbrief zu schreiben. Wer will, könne dem bekanntlich von vielen eher ungeliebten Wahrzeichen, das nicht wenige lieber heute als morgen abgerissen sähen, auch einfach mal seine Meinung sagen...

Motto des Schreibprojekts: "Happy Birthday E-Klo". "Die Idee ist uns abends in der Kneipe gekommen", berichtet Andreas Matzek. Prognosen, wie viele Liebesbriefe oder Schmähschriften bei ihrem "Spaßprojekt" wohl eingehen werden, wollen die beiden nicht machen, auf rege Post hoffen sie aber schon. Schließlich habe jeder Gießener seine sehr persönliche Beziehung zu dem Beton-Bauwerk mit den drei achteckigen "Kloschüsseln": "Wenn ich als kleines Kind mit meinen Eltern in die Stadt gefahren bin, war ein Blick auf das E-Klo immer ein Erlebnis", erinnert sich Peter Kosch. "Ich dachte nämlich, das sei ein echtes Elefantenklo. Das es nur eine Fußgängerüberführung ist, ist mir erst viel später klar geworden." Und noch heute sei es das erste Bauwerk, was er Besuchern von außerhalb zeige.

Die Gießener Schulen haben die Geburtstags-Organisatoren bereits zum Mitmachen aufgefordert. Lehrer könnten die E-Klo-Briefe etwa als Projekte in den Deutsch- oder Kunstunterricht integrieren. Auch das Gießener Stadtmarketing und E-Klo-Nachbaren machen mit. Am Samstag, 27. September, soll es auf dem Elefantenklo denn auch eine kleine Geburtstagstafel mit Kaffee und Kuchen geben. Die Einnahmen aus Getränke- und Kuchenverkauf wollen Peter Kosch und Andreas Matzek der Aidshilfe und der Lebenshilfe spenden. Und damit sind ihre Ideen noch lange nicht erschöpft. Beide denken längst über ein E-Klo-Spiel nach.

Georg Kronenberg


Express Online: Thema der Woche | 11. September 2008

Kulturgeschichtliche Spurensuchen

Der Name "Jonas"
... wurde in Anlehnung an den Titel des Films "Jonas, der im Jahr 2000 25 Jahre alt sein wird" ausgewählt. Da jedoch eine GmbH nur den Namen eines Gesellschafters oder einen Phantasienamen tragen darf, brauchte man unbedingt einen Namensgeber.
Über das Telefonbuch wurde ein "Herr Jonas" ausfindig gemacht, und gefragt, ob er Gesellschafter des Verlages werden wolle. Dieser stimmt der Nachfrage im Oktober 1979 zu und nimmt bis heute regen Anteil an der Produktion des Hauses.
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Gut gemachte Bücher mit außergewöhnlichen Themen der Alltagskultur: Der Marburger Jonas Verlag feiert einen runden Geburtstag.

1978 gründete Dieter Mayer-Gürr zusammen mit zwei weiteren Studenten der Marburger Kunstgeschichte den Jonas Verlag. Was vor 30 Jahren seinen Anfang nahm, bereichert bis heute die immer kleiner werdende Gruppe der unabhängigen Büchermacher. Der Express befragte das Verlagsteam.

Express: Seit dreißig Jahren kann sich der Jonas Verlag mit echten Büchern auf einem Markt im Wandel halten. Was ist euer Erfolgsrezept?
Dieter Mayer-Gürr: Wir machen inhaltlich gute und qualitativ hochwertige Bücher, dafür steht unser Verlag, und das wissen die Menschen, die uns kennen.
Sabine Zickgraf: Unsere kleinen Geschichten zur Alltagskultur befassen sich mit Dingen, die uns im Alltag umgeben und die auf geistreiche und z.T. witzige Art aus kulturwissenschaftlicher Sicht unter die Lupe genommen werden.
Dr. Ursula Quecke: Dazu kommen Ausstellungskataloge, wissenschaftliche Publikationen und renommierte Fachzeitschriften aus den Bereichen Fotografie, Kunstgeschichte und Volkskunde. Die Zusammenarbeit mit Uni-Instituten, Museen, aber auch zahlreichen freien Autoren funktioniert nun schon seit 30 Jahren – manchmal staunen wir selbst ein bisschen darüber!

Express: Ihr habt Bücher zur Kultur des Schnellimbiss veröffentlicht und zu Strandburgen. Aber auch über die Geschichte der Hausnummer oder die Entwicklung des Babyphons. Wie kommt ihr auf die manchmal äußerst exotischen Themen?
Dr. Ursula Quecke: Das ist ganz unterschiedlich. Viele Autorinnen und Autoren veröffentlichen schon seit Jahren bei uns, und oft haben sich neben der Arbeit miteinander auch freundschaftliche Beziehungen entwickelt. Das ist der Idealfall und auch das, was uns an der verlegerischen Arbeit so viel Spaß macht.
Kathrin Brömse: Natürlich bekommen wir auch Manuskripte zugeschickt, von denen wir dann die spannendsten auswählen und so den Kreis der Autorinnen und Autoren erweitern. Dieter Mayer-Gürr: Außerdem entstanden und entstehen ständig neue Ideen im Verlag selbst, die dann auch manchmal materielle Gestalt annehmen. Dieses Ziel haben wir uns auch für die Zukunft gesetzt: noch mehr selbst zu forschen und auf kulturgeschichtliche Spurensuche zu gehen.

Express: Was war der größte Hit in den vergangenen drei Jahrzehnten?
Dieter Mayer-Gürr: Unser erster "Bestseller" war der Schnellimbiss, der 1980 herauskam. Direkt zwei Jahre nach Verlagsgründung machte der Titel den Jonas Verlag bundesweit bekannt, für uns natürlich ein Glücksfall.
Sabine Zickgraf: Seitdem haben wir immer wieder Bücher, die sich besonders gut verkaufen, zuletzt der Titel "Haben Fische Durst?" von Karl-Heinz Wellmann, der in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk entstanden ist.

Express: Und der größte Flop?
Kathrin Brömse: Einen echten "Flop" haben wir noch nicht produziert, weil wir ja stets bescheiden sind und unsere Auflagen nicht sehr groß sind. Verkauft sich ein Titel dann besonders gut, drucken wir einfach nach.

Express: Würdet ihr den Jonas Verlag heute noch einmal aus der Taufe heben?
Dieter Mayer-Gürr: Ein klares JA! Denn es gibt nach wie vor in der Flut der alljährlichen Neuerscheinungen zu wenig gute und schön gemachte Bücher.
Dr. Ulla Quecke: Und es macht uns nach wie vor Spaß, Autorinnen und Autoren zu finden, Projekte zu betreuen, Cover zu entwerfen, kurz: Bücher zu machen.

Express: Worauf darf man in Zukunft gespannt sein?
Kathrin Brömse: Auf viele kleine und große, schöne und anspruchsvoll gestaltete Bücher.

Express: Eine gute Fee erfüllt zum Dreißigsten drei Geburtstagswünsche. Als da wären?
Sabine Zickgraf: Mehr Buchhandlungen, die sich trauen, auch Bücher von kleinen Verlagen ins Lager zu nehmen. Mehr Menschen, die sich trauen, auch Geld für anspruchsvollere Literatur auszugeben.
Dieter Mayer-Gürr: Und mehr Zeit, um all die guten Ideen noch in gute Bücher verwandeln zu können.

Interview: Michael Arlt

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