Express Online: Thema der Woche | 1. Mai 2008

Pflanzen, Pflegen und Ernten
im Heiligen Grund

Das Streuobstwiesenprojekt im Heiligen Grund, dem größten zusammenhängenden Streuobstgebiet im Marburger Stadtgebiet und im Landkreis Marburg-Biedenkopf, bündelt zwei wichtige Ziele. Durch seine Nutzung als Reservoir ökologisch kultivierter Obstbäume wird gleichzeitig ein wichtiges Biotop und ein überregional wertvolles Landschaftsbild geschützt.

Der Spaziergang mit dem Landschaftspfleger Dr. Norbert Clement durch den Heiligen Grund in Ockershausen hat etwas von dem Besuch in einer kulturgeschichtlichen Bibliothek. Schon am Start der Exkursion ist dies spürbar, als Clement den interessierten Zuhörern die Mikwe, ein rituelles jüdische Bad im Keller seines Hauses zeigt und dessen geschichtliche Bedeutung erklärt. Auch den leichten Anstieg von Ockershausen in den Heiligen Grund erklärt Clement aus der geschichtlichen Perspektive. In früheren Zeiten gab dieser von den Elementen tief in die Erdoberfläche gegrabene Weg zur Kirche nach Oberweimar dem Heiligen Grund seinen Namen. Ockershausen hatte keine eigene Kirche, musste seine Toten zur Bestattung nach Oberweimar bringen und galt als das Armenhaus von Marburg. Weil der früher auf den am steilen Hang angelegten Terrassen des Heiligen Grundes betriebene Ackerbau unrentabel wurde, bekamen die zunächst nur an den Hangkanten stehenden Obstbäume eine zunehmend existentielle Bedeutung für die Ockershäuser. Das geerntete Obst diente ihnen dabei nicht nur als vitaminreiche Nahrung, sondern auch als Erwerbsquelle. Clement selbst begegnete einer Obstbäuerin, die nach dem 2. Weltkrieg mit dem Ertrag einer Kirschenernte in der Lage war, die Fenster ihres Hause zu erneuern. Diese Quelle drohte in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch ein Obstbauschädling, die Kirschfruchtfliege zu versiegen. Der Obstbau wurde unrentabel, die Obstwiesen verkamen. Seit Ende der Neunziger Jahre taten sich die Naturschutzverbände des BUND des NABU in Marburg-Biedenkopf als AG Streuobstwiesen zusammen und begannen wieder damit, die vorhandenen Obstbäume im Heiligen Grund und auf einigen anderen alten Streuobstwiesen zu nutzen. Aus den Äpfeln wird im Herbst ein gutschmeckender Apfelsaft gepresst, mit dessen Verkauf u.a. die Pflege der vorhandenen und die Pflanzung von neuen Obstbäumen finanziert wird.

Mittlerweile stehen alleine im Heiligen Grund mehr als 100 verschiedene Apfel-, mehr als 50 verschiedene Kirschen- und ca. 10 Birnensorten erläutert Clement und fügt an, dass durch den Verzicht auf Düngemittel und Pestizide nicht nur eine einzigartige Wiesenvegetation sondern auch ein wichtiger Lebensraum für bedrohteTiere und Pflanzen entstanden ist. "Der Schutz alter und bedrohter Obstsorten und ihre ökologische Nutzung kann auch als Gegengewicht z.B. zu gentechnisch manipulierten Apfelsorten zukünftig von großer Bedeutung sein. Mit der Schaffung eines Kirsch- und Apfellehrpfades im Heiligen Grund überliefern wir daher nicht nur das Wissen und die Kultivierung von seltenen Obstbäumen an die nachfolgenden Generationen, wir setzen der Monotonie einseitiger Supermarktobstsorten auch eine faszinierende Vielfalt unterschiedlicher Geschmacksrichtungen entgegen", beschreibt Clement und erzählt, dass ihn vor allem die Begeisterung von Kindern und Jugendlichen für Projekte in der Pflanzung und Pflege der Obstbäume des Heiligen Grundes und bei der herbstlichen Obsternte darin bestätigt, "dass die viele Arbeit der vergangenen Jahre zukünftig nicht nur gute Obsternten hervorbringen wird".

Info: www.bund-marburg.de. Unterstützung an: Sparkasse Marburg-Biedenkopf, BLZ:533 500 00 Kto: 36307 Stichwort: Streuobstwiesen. BUND Marburg-Biedenkopf

Thomas Gebauer

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