Express Online: Thema der Woche | 27. März 2008

Die Geister, die sie riefen ...

"One more Thing before I go". Malerei von Markus Willeke im Marburger Kunstverein. Eindrücke.

Das wird wohl heute nichts mehr. Der Surfer hält sein Board, bereit, sich in die Brandung zu stürzen. Doch da, wo die Wellen brechen sollten, implodiert das Meer in ein kabbeliges Inferno. "Nada Surf" der lakonische Titel, den Markus Willeke seinem Werk gegeben hat. Und das recht gut passt, in die Bilderwelten des Berliner Künstlers (*1971) hineinzuleiten. Katastrophisches regiert, man ist gewarnt.

Wenige sehr große Acrylgemälde im Erdgeschoss. Zur Rechten anonyme Rückenansichten, die fröhliche Totentänze in Tattoo-Studio-Manier zur Schau stellen. Die Toten, dem morbid-naiven Fundus der Heavy-Metal-Motivik entlehnt, feiern in flottem Strich fröhliche Auferstehung, das Lebendige als Folie verharrt in Reglosigkeit. Momentaufnahmen aus einer Szene, wo Haut zu Markte getragen wird. Solcherart eitle Äußerlichkeit erfährt ihre Kontrastierung an der Wand gegenüber. Ansichten eines amerikanischen Schulbusses auf der Fahrt ins Nirgendwo. In einer ins Gelb übler Vorbedeutung getauchten Wüstenlandschaft verliert sich das vollbesetzte Vehikel in der Vorhölle eines vermutlich gar nicht so süßen "Sweet Hereafter".

Die Filmkameraperspektive dieser Standbilder eines Roadmovies ins Jenseits leitet zu den Kernstücken der Ausstellung im zweiten Stock. Vorbei an einer grinsenden "Halloween"-Vogelscheuche und zwei Tableaus kleinformatiger Aquarell-/Tusche-Bilder, die ein auf den ersten Blick beziehungsloses Nebeneinander führen, betritt man den oberen Ausstellungsraum. In beinahe sakralen Zusammenhang gerückt, präsentiert sich eine Dreifaltigkeit der (amerikanischen) Populärkultur. Auf monumentales Leinwandformat gebracht, springen dem Betrachter die Trademarks der 20th Century Fox, Paramount und MGM entgegen und entpuppen sich als höllisches Triptychon, das Angst und Schrecken gebiert. Die wuchtigen Ikonen tragen als Beititel die Namen sujetstiftender Produktionen des Hollywood-Filmgeschäfts "Alien", "Freitag 13." und "Poltergeist". In adäquat aggressiver Ausformung kommentieren die Gemälde den konfektionierten Horror der Alptraumfabrik und verweisen darüber hinaus auf den ungleich größeren realen Schrecken, wie ihn die Medienmaschine ununterbrochen reproduziert.

Im Kinocenter nebenan wetzt eine neue Generation Blockbuster-Horrors die Krallen und Messer. "Go away", fordert ein unscheinbares Graffito auf. Dem wollen wir uns nicht anschließen.

Markus Willeke: "One more Thing before I go", Malerei, bis zum 24.4. im Kunstverein Marburg

Michael Arlt

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