Express Online: Thema der Woche | 17. Januar 2008

"... weil die Zahlen stimmen"

Zum Wahlkampfschlussspurt bekommt Hardliner Roland Koch in Wetzlar Besuch von der Kanzlerin

Der Wahlkampf hat Spuren hinterlassen, bei Roland Koch. Rau und kratzig klingt seine Stimme, angeschlagen durch eine Erkältung, als er am Sonntag zu den rund 4.500 CDU-Anhängern in der Wetzlarer Rittal-Arena spricht. Doch der Mann, der als Kind einst Captain Kirk als Vorbild hatte – wie das Publikum bereits im Vorprogramm der CDU-Großveranstaltung erfahren hat, gibt sich gewohnt kämpferisch. Als Reaktion auf die schlechten jüngsten Umfragen für die CDU ruft er seinen Anhängern zu: "Wir sind in einer Auseinandersetzung, in der auch die letzten begriffen haben, dass Hessen ein knappes Land ist!" Was freilich bedeute: "Als Hessen noch kein knappes Land war, war es ein sozialdemokratisches." Und die sozialdemokratische Regierungszeit sei ein "verlorenes Jahrzehnt" gewesen: Wichtige Projekte seien nicht angegangen worden – etwa die Erweiterung des Frankfurter Flughafens oder die Entscheidung, was mit den beiden mittelhessischen Unikliniken passieren solle.

Nach Beispielen für die angebliche Tatkraft der Unionsregierung kommt Koch schließlich auch zu seinem Leib- und Magenthema. "Wer hierzulande die Faust erhebt, erlebt den gesammelten Widerstand der Zivilgesellschaft dieser Republik", formuliert er zwar markig. In der von ihm bisher so sehr angeheizten Debatte über die Jugendkriminalität hält sich Hessens Ministerpräsident nach seinem jüngsten Vorstoß zur Ausweitung des Jugendstrafrechts auf unter 14-Jährige aber mit neuen Offensiven zurück. Schließlich setzt auch die Kanzlerin, am Sonntag zur Wahlkampfunterstützung nach Wetzlar geeilt, inzwischen auf moderatere Töne: Über die christdemokratischen Vorschläge zum Thema Jugendkriminalität müsse mit der SPD "in aller Ruhe" gesprochen werden, so Merkel bei ihrer Rede in der Rittal-Arena.Das klingt schon anders, als noch gut eine Woche zuvor, als die Kanzlerin im Kurhaus von Wiesbaden dem sich als Hardliner inszenierenden Koch nachhaltig den Rücken stärkte.

Der wiederum wird am Sonntag in Wetzlar nicht müde, die Bilanz seiner Landesregierung in puncto Sicherheit ins rechte Licht zu rücken. War Kochs Kabinett doch zuletzt unter anderem wegen der langsamen Bearbeitungszeit von Jugendstrafsachen an hessischen Gerichten massiv in die Kritik geraten. Wer nur mehr Härte verlange, statt die Ursachen zu bekämpfen, gefährde die Sicherheit, verurteilten etwa die drei hessischen Richterverbände Kochs Vorgehen in einer Stellungnahme.

Seine Regierung sei "sehr stolz" auf das, was sie im Bereich Sicherheit erreicht habe, hält Koch in der Rittal-Arena entgegen. "Wir sind stolz, weil die Zahlen stimmen", sagt er am Tag, bevor die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens bekannt wird, nach der Hessen seit Kochs Regierungsantritt 1999 bundesweit mit die stärkste Zunahme von Gewalttaten Jugendlicher zu verzeichnen hat. Schnodderig, unter dem Beifall seiner Anhänger, beschreibt Koch die "Aufholjagd", wie unter der CDU-Führung die Aufklärungsquote auf aktuelle 55 Prozent angehoben worden sei. Den Sozialdemokraten wirft er vor, beim Thema innere Sicherheit "zwischen Fälschung und Beleidigung" zu agieren.

Und weil sein Plan A zum Machterhalt – mit dem Thema Jugendkriminalität Ängste zu schüren – zurzeit wegen der vielfältigen Kritik wackelt und in den Umfragen überwiegend abgelehnt wird, widmet sich der Wahlkämpfer Koch in Wetzlar dann seiner Strategie B, um Ministerpräsident im einst so sozialdemokratisch geprägten Hessen zu bleiben. Strategie B ist nicht weniger simpel als Plan A und heißt übersetzt so viel wie "Vorsicht vor der roten Gefahr". Beschwörend warnt der CDU-Spitzenkandidat vor dem Einzug der Linken in den Wiesbadener Landtag. "Ich habe immer hier schon gesagt, dass sind stinknormale Kommunisten", wiederholt Roland Koch eine ihm im Wahlkampf lieb gewonnene Formulierung. Und denen dürfe ein wirtschaftlich starkes Bundesland wie Hessen nicht in die Hände fallen. Wer glaube, dass die SPD bei einer linken Mehrheit im Landtag nicht "mit der Linkspartei gemeinsame Sache machen" werde, der riskiere "wirklich naiv zu sein".

Georg Kronenberg

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