Express Online: Thema der Woche | 29. November 2007

Hoffnung angesichts der Katastrophe

Welt-AIDS-Tag 2007: Die Großmütter von Nyumbani Village in Kenia versuchen, inmitten der Bedrohungen durch AIDS mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen die Hoffnung auf Zukunft zu erhalten.

Grandma Monika ist blind und Grandma Da'Maries kann nicht mehr gehen, sie sind beste Freundinnen. Schon am frühen Morgen, wenn ihre Kinder aus dem Haus sind, treffen sie sich, um Körbe zu flechten und die Zeit miteinander zu verbringen. Beide Frauen gehören zur ersten Großelterngeneration in Nyumbani Village, einem drei Stunden östlich von Nairobi entstandenen Hilfsprojekt, in dem Aidswaisen und Großeltern seit Herbst 2006 nach dem Vorbild der "Extended Family" neue Schutz- und Lebensgemeinschaften bilden. Nyumbani bedeutet auf Kiswahili "zu Hause" und das ist Nyumbani Village für mittlerweile 208 Kinder und 30 Alten, die von Menschen der an Aids verstorbenen mittleren Generation in der Region um Kitui zurückgelassen wurden. In den auf diese Weise 28 neu entstandenen Familien sind die Kinder versorgt und die Alten sind nicht alleine und können ihr Wissen an die Kinder weitergeben. So erklären es auch Da' Maries und Monika, die beiden redegewandten Großmütter auf Nachfragen nach ihrem Leben.

Da' Maries: Ich bin 78 Jahre alt. Im November vergangenen Jahres kam ich hierher. Ich habe sechs Kinder zur Welt gebracht. Vier von ihnen sind an AIDS gestorben. Woher ich das weiß? Ich habe meine kranken Kinder immer im Krankenhaus besucht. Das habe ich auch getan, als es mit ihnen zu Ende ging. Dann haben mir die Ärzte gesagt, dass meine Kinder die Krankheit haben, für die es keine Heilung gibt und dass ich nach Hause gehen soll, um ihre Beerdigung vorzubereiten. Daher weiß ich, woran sie gestorben sind. Die zwei mir gebliebenen Töchter können nicht für mich sorgen. Deshalb bin ich mit drei meiner 27 Enkelkinder hierher gekommen, denn sie haben keine Mutter und keinen Vater mehr.

Monika: Ich müsste jetzt bereits 93 Jahre alt sein. Mir wurde immer gesagt, dass ich in dem Jahr geboren wurde, als in Europa der große Weltkrieg ausgebrochen ist. Hier in Nyumbani Village lebe ich mit sieben Enkelkindern zusammen. Zwei meiner eigenen Enkelkinder sind mit mir hierher gekommen, denn sie haben niemanden mehr außer mir. Jetzt habe ich wieder sieben Enkelkinder. Sie kochen das Essen für mich und helfen mir, wo ich nicht weiter kann. Dafür bekommen sie meinen Rat und ich erzähle ihnen Geschichten, wenn wir abends beim Essen zusammensitzen.

Da' Maries: Das Abendessen ist die wichtigste Mahlzeit, weil wir dann alle in unseren Häusern zusammenkommen. Tagsüber sind unsere Kinder in der Schule und wir Alten sitzen zu Hause und verdienen uns mit unseren Körben etwas dazu. Nach der Schule hat jedes Kind seine Aufgaben im Haus oder im Garten zu erledigen. Dafür haben wir im Haus einen Duty-Board aufgehängt. Jeder weiß, was er zu tun hat. Danach müssen alle Kinder für die Schule lernen und die Großen kochen das Abendessen. Das ist die Zeit, in der wir alle wichtigen Fragen besprechen. Ich sage ihnen, das es wichtig ist, in der Schule zu lernen und den Lehrern zu gehorchen. Ich ermahne sie jeden Tag, diszipliniert und hart an sich zu arbeiten, damit sie stark werden.

Monika: Ja, es gibt Zeiten, dann sind unsere Kinder traurig, weil sie an ihre Eltern denken, die nicht mehr bei uns sind. Dann erzählen wir uns das, was wir noch von ihnen erinnern. Das machen wir auch in den Zeiten, wenn sich ihr Tod jährt. Es ist gut, dass wir dann zusammen sind und wir Alten können unseren Kindern zur Seite stehen, so wie sie uns helfen, wenn wir nicht mehr können, weil wir alt sind.

Da' Maries: Wir sagen ihnen auch, dass sie noch jung sind und die Zukunft noch vor sich haben und dass sie diszipliniert und enthaltsam sein sollen, bis sie stark sind und alles wissen, was sie wissen müssen für ihr Leben. Das sagen wir ihnen, damit sie nicht krank werden, wie ihre Eltern und ihr Leben verlieren, bevor sie es leben konnten.

Monika: Ich habe eine Geschichte, die erzähle ich meinen Kindern. Sie handelt von einem Vogel, der seine Eier in einem Nest auf dem Erdboden bewahrte. Als der Vogel Hunger hatte und sein Nest verlassen musste, um Nahrung zu finden, kam ein Elefantenbulle und trat auf die Eier und zerstörte sie. Als der Vogel zurück kam und sah, das seine Eier zerstört waren, war er traurig vor Schmerzen. Er fragte die anderen Tiere, die Antilope, die Giraffe, die Hyäne, die Gazelle und den Wasserbüffel, wer seine Eier zerstört hat. So fand der Vogel den Elefantenbullen und fragte auch ihn, ob er weiß, wer seine Eier zerstört hat. Der Elefantenbulle wollte den Vogel mit seinem Rüssel fortfegen, doch der flog durch den Rüssel in den Leib des Elefantbullen und durchbiss alle seine Organe. Dann fiel der Elefantenbulle Tod um und der Vogel verließ seinen Leib und flog davon.

Da' Maries: Und was bedeutet die Geschichte?

Monika: Wie stark Du auch immer sein magst, sei niemals arrogant gegenüber anderen, vor allem nicht gegenüber den Kleinen und Jungen, die nicht so stark sind wie Du.

Weitere Infos

www.nyumbani.org, Unterstützung unter Stichwort: "I SEE Nyumbani", Kontonummer: 18408201, Volksbank Mittelhessen, BLZ: 513 900 00

Benefiz-/Infoveranstaltungen zum Welt-AIDS-Tag 2007

AIDS-Hilfe Marburg:
Samstag, 1. Dezember: 11 - 15 Uhr, Infostand Ort: Ecke Marktplatz/ Barfüßerstraße; 15 Uhr, Abendmahlsgottesdienst: "HIV/ Aids - Ausgrenzung, Vorurteile, Angst und in vielen Ländern Krankheit der Armen" Ort: Universitätskirche; 20 Uhr, Benifizkonzert: Coverband Mad Orin. Ort: KFZ
Mittwoch, 5. Dezember: 17 Uhr: Advents-Kaffeetrinken für Menschen mit HIV. Ort: Beratungsstelle Aids-Hilfe, Bahnhofstr. 27. und um 19.30 Uhr: "HIV-Prävention mit Jugendlichen in Tansania", Erlebnis- und Fotobericht von Gwen Giebels. Ort: safeway, Bahnhofstr. 27
Montag, 10. Dezember: 19.30 Uhr: "Leben mit AIDS im südlichen Afrika", Reisebericht von Marlis Böhme. Ort: safeway, Bahnhofstr. 27 (u.a. zugunsten des Moretele AIDS Projektes in Südafrika).
Fachschaft Humanmedizin Marburg:
Samstag, 1. Dezember: 11-18 Uhr: "Richtig-Kicken-Fußballturnier" mit Infoständen zum Thema HIV /Aids. Ort: Unisporthalle. Ab 21 Uhr: "Richtig-Ficken-Party" Ort: Unix. (u.a. zugunsten der AIDS-Hilfe Marburg).

Thomas Gebauer

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