Express Online: Thema der Woche | 8. November 2007

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Wetzlar hat jetzt sein eigenes Mitmachmuseum: Im neu eröffneten "Viseum" will der traditionelle Optik- und Feinmechanikstandort spielerisch die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft zeigen.

Beim vierten Anlauf hat die Besucherin den Dreh raus – und den kleinen Messtisch an dem Ausstellungsstück im Wetzlarer "Viseum" um exakt 1 "Mikrometer" bewegt – einen tausendstel Millimeter. "Man darf nur ganz sanft an den Drehknopf tippen", berichtet die junge Frau, "wenn man dreht, ist man gleich um Haaresbreite vorbei". Was ziemlich weit vom Ziel entfernt ist: ein menschliches Haar ist etwa fünfzigmal so dick wie ein Mikrometer.

Vom Wetzlarer Werkmeister Oskar Barnack, dem legendären Entwickler der Kleinbildkamera, mit der die Optikschmiede Leitz Weltruhm erlangte, werde gar berichtet, dass er einen Unterschied von zwei Mikrometern ertasten konnte, erzählt Hartmut Schmidt, Leiter von Wetzlars städtischen Sammlungen, gutgelaunt bei seiner Führung durch das am Mittwoch neueröffnete "Viseum. "Ob das stimmt weiß man nicht, aber es ist eine prima Geschichte."

Kein klassisches Museum soll das "Viseum" mit über 60 interaktiven Exponaten sein, sondern – ähnlich wie das überaus erfolgreiche Gießener Mathematikum – "eine Erlebnisausstellung, die einlädt, diese Industrie und ihre Produkte spielerisch kennen zu lernen", so Wetzlars Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP). Mit optischen Täuschungen, Lichteffekten oder einer Erlebnisstation Mikroskopie sollen Grundlagen der Optik sowie Anwendungsgebiete der in und um Wetzlar gefertigten Produkte dargestellt werden.

Und das sind nicht wenige: So ging bekanntlich vor über 80 Jahren die erste Kleinbildkamera der Welt in Wetzlar in Serie. Mikroskope der Wetzlarer Optikfirma Leica Microsystems sind heute genauso beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden wie beim amerikanischen FBI zur Aufklärung von Verbrechen im Einsatz oder im Vatikan zur Restaurierung von Gemälden. Die Optik- und Feinmechanik-Branche hat zwar in der Region in den vergangen Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Mittelhessen gilt aber immer noch als bedeutender Standort – mit über 50 Unternehmen und rund 5000 Beschäftigten in der Region.

Das "Viseum" ist in Zusammenarbeit der Stadt mit 14 heimischen Firmen der Optik und Feinmechanik entstanden. Dazu gehören so namhafte Unternehmen wie die Leica Camera AG, der Mikroskopbauer Leica Microsystems, Carl Zeiss Sport Optics und Minox. Die Unternehmen finanzieren das Museum über einen Trägerverein. Rund 500.000 Euro haben die Firmen nach Angaben von Leica Microsystems-Manager Ralf Niggemann bisher in die Ausstatung des "Viseums" investiert.

Untergebracht ist die interaktive Schau in einem frisch restaurierten denkmalgeschützten Gebäude in Wetzlars Altstadt, das an das Stadt- und Industriemuseum sowie das Lottehaus angrenzt. Ein neu errichteter gläserner Verbindungsbau, in dem auch ein Café angesiedelt ist, dient als zentraler Eingang zur Wetzlarer "Museumsinsel". Die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes sowie der Neubau haben laut Hartmut Schmidt, Leiter von Wetzlars städtischen Sammlungen, knapp drei Millionen Euro gekostet. Der von der Stadt und der Europäischen Union finanzierte Umbau des Gebäudekomplexes hat sich freilich aus Schmidts Sicht gleich mehrfach gelohnt: "Der Verbindungsbau mit dem Aufzug ist auch für die anderen Museen in dem Komplex ein unschätzbarer Vorteil", freut sich Schmidt.

Etwa 30.000 Besucher zählten Stadt- und Industriemuseum sowie das Lottehaus bisher jährlich. Durch die Erweiterung um das "Viseum" hofft Schmidt auf ein deutliches Besucherplus: "Wir erwarten, dass wir mit dem "Viseum" künftig im Jahr auf rund 50.000 Besucher in der gesamten Museumsinsel kommen."

Georg Kronenberg

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