Es war die erste Deutschlandreise des Großmuftis von Syrien. Und ausgerechnet die eher kleine Universitätsstadt Marburg war die erste Anlaufstelle von Scheich Ahmad Badr Al-Din Hassoun, der als einer von nur sechs Großmuftis in der Welt zu den ranghöchsten religiösen Würdenträgern des Islam zählt.
Das liegt natürlich nicht an der Schönheit der Stadt, deren Ruhe, Sauberkeit und Vielfalt der Großmufti lobt. Das liegt an seinem "Bruder", Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD), den er geradezu "wunderbar" findet: "Seine Menschlichkeit ist weiter als seine politische Vernunft", sagt Ahmad Hassoun.
Die beiden haben sich angefreundet, als Vaupel mit einer Marburger Delegation in Syrien war. Die Philipps-Universität, die in Kürze das neue Centrum für Nah- und Mitteloststudien eröffnet, hat nämlich eine Partnerschaft mit der Hochschule von Damaskus. Kooperationen gibt es auch bei den Medizinern. Daher hat der Großmufti vier Tage seiner elftägigen Deutschlandtour in Marburg verbracht, bevor er weiter nach Münster, Berlin, Hannover und Aachen gereist ist.
Ahmad Hassoun gilt als ein Islam-Vertreter, der wegen seiner liberalen Ansichten in seiner Heimat umstritten ist. Er setzt auf Dialog und wirbt für Frieden, Toleranz sowie die Trennung von Politik und Religion. In Marburg hat er während eines "Religionsgespräches" mit katholischen und evangelischen Bischöfen sowie dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Amnon Orbach, diskutiert. Knieend hat er in der Elisabethkirche gebetet.
Freilich legt er Wert darauf, nicht nur Würdenträger und Honoratioren zu treffen. Ausdrücklich hat er sich Begegnungen mit normalen Marburgern, Studierenden und Schülern gewünscht, weil der Dialog bislang nur unter Theologen und politischen Eliten geführt werde. Auf mehr als 100 Schüler traf er im Marburger Rathaus.
Mit viel Charme, Witz und Lächeln präsentierte sich Ahmad Hassoun den Jugendlichen: "Mein Beruf ist es, seelische Probleme zu lösen und dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Kulturen gut miteinander leben können", erklärt der 58-Jährige. Dann holt er sich die Schüler auf das Podium, um von ihnen lernen zu können. Und er löst das Problem einer Schülerin mit Kopftuch, die fragt, ob es in Ordnung sei, das Kopftuch abzuziehen, wenn es gesetzlich verlangt werde. Für die Bildung sei es egal, was man sich anziehe, entscheidet der Geistliche. Er erinnert aber auch daran, dass selbst die Heilige Elisabeth ein Kopftuch getragen habe.
Nur einmal entlockt eine Schülerin dem sonst freundlich Lächelnden ein Stirnrunzeln. Angesprochen auf George W. Bush sagt er: "Ich bete dafür, dass Bush eine andere Meinung bekommt."
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