Express Online: Thema der Woche | 2. August 2007

Den gefährlichsten Viren auf der Spur

Im Marburger Hochsicherheitslabor arbeiten die Wissenschaftler an den rätselhaftesten und gefährlichsten Viren der Welt: Sars-, Ebola-, Lassa-, Nipah- und Marburg-Viren werden in der Universitätsstadt untersucht.

Ab September werden die Sicherheitsvorkehrungen noch schärfer. Dann wird das erste deutsche BSL-4-Hochsicherheitslabor auf den Marburger Lahnbergen eröffnet. Vergleichbare Einrichtungen gibt es in Europa bislang nur in Stockholm, London und Lyon.

Zum Kern des roten, fünfstöckigen Gebäudes haben nur sieben Forscher des Marburger Instituts für Virologie Zutritt. Ihre gelben und weißen Schutzanzüge erinnern an Astronautenkleidung. Angenehm ist der Arbeitsplatz nicht, erzählt Laborleiter Dr. Markus Eickmann. In den Anzügen ist es nämlich so heiß und durch die Lüftung so laut, dass es die Forscher maximal drei Stunden täglich darin arbeiten. Immerhin können sie neuerdings durch mehrere schusssichere Fenster bis in den Wald schauen. "Das ist entspannend", sagt Eickmann.

Bislang arbeitet er mit seinen Kollegen in einem in den 80er Jahren errichteten Hochsicherheitslabor mitten in Marburgs Innenstadt. Natürliches Licht gibt es dort nicht. Es ist eng in dem durch drei Schleusen gesicherten Labor. Und es liegt ungünstig, weil Schulamt und Katasteramt im selben Gebäude untergebracht sind. Zudem seien die Sicherheitsansprüche gestiegen, sagt Institutsleiter Prof. Hans-Dieter Klenk.

Der rote Neubau mit den vier schwarzen Schornsteinen ist ganz dem Hochsicherheitslabor gewidmet. In der Mitte liegt das 170 Quadratmeter große Labor. Darunter werden die wässrigen Abfälle gekocht und gereinigt. Darüber wird die Luft durch virendichte Filter dekontaminiert.

Das Hochsicherheitslabor ist fast luftdicht von der Außenwelt abgeschottet: "Wir haben quasi eine Edelstahl-Tupperdose mit Lüftung gebaut", erklärt Eickmann. Wer sie betreten will, muss ein kompliziertes Schleusensystem durchlaufen. Zahlencodes, Schlüssel, Transponder und Chipkarten sichern das unter Unterdruck stehende Labor ab. An den Arbeitstischen tragen die Forscher neben dem Schutzanzug drei Paar Handschuhe, mit denen sie kleinste Gefäße handhaben. Dabei werden sie ständig durch Kameras überwacht. Nach der Arbeit passieren sie eine chemische und eine normale Dusche.

Die größte Gefahr ist das Personal", sagt Eickmann. Deswegen wird Routine vermieden. "Man ist auch nach 15 Jahren jedes Mal ein bisschen aufgeregt, wenn man einen Marburg-Virus in die Hand nimmt", sagt der Laborleiter. Störfälle gab es in den vergangenen Jahrzehnten aber noch nie, versichert er.

Seit 2005 wird an dem Gebäude gebaut, das dazu beitragen soll, dass Virusepidemien weltweit schneller erkannt werden. 11,4 Millionen Euro kostet das neue Hochsicherheitslabor, das von Land und Bund finanziert wird.

Dass die einmalige Einrichtung nun in Marburg entsteht, hängt mit der langen Tradition der Virenforschung in der Universitätsstadt zusammen. Exakt vor 40 Jahren war die Universitätsstadt Schauplatz von mysteriösen Krankheitsfällen. 25 Angestellte der Marburger Behringwerke erkrankten an hohem Fieber, das von lebensbedrohlichen inneren Blutungen begleitet wird. Damals war die Krankheit noch unbekannt. Nach den ersten Todesfällen wurde eine Epidemie befürchtet. Im Herbst 1997 stellten die Marburger Virologen fest, dass der Erreger von grünen Meerkatzen aus Uganda stammte, die bei den Behringwerken zu Versuchszwecken gebraucht wurden. Das Virus wurde nach dem Ort seines Auftretens Marburg-Virus genannt und ist seitdem noch mehrfach in afrikanischen Ländern aufgetreten. Seine eigenwillige Struktur ist nun auf der Fassade des neuen Hochsicherheitslabors zu sehen.

Heute wird das Marburger Institut regelmäßig herangezogen, wenn irgendwo in Deutschland der Verdacht besteht, Menschen könnten an Ebola, Lassa oder dem Marburg-Virus erkrankt sein. Die Forscher waren auch daran beteiligt, dass der Erreger von Sars bereits zwei Wochen nach dem ersten Verdachtsfall identifiziert werden konnte. Per Hubschrauber wurden Blut- und Speichelproben der Kranken aus der Frankfurter Isolierstation in die Universitätsstadt geflogen. 2004 gelang den Wissenschaftlern die Erzeugung von Antikörpern gegen die Lungenkrankheit. Auch auf die Untersuchung von Pocken-Verdachtsfällen sind die Marburger eingerichtet.

Hauptaufgabe der Mitarbeiter ist die Grundlagenforschung an den Viren, gegen die es noch keine Impfstoffe und kaum Medikamente gibt. Beteiligt sind die Marburger auch an der Forschung zur Vogelgrippe. Sie haben ein neues Verfahren entwickelt, dass sich für die Herstellung eines Lebendimpfstoffes eignen würde. Sie hoffen, damit im Falle einer Pandemie schneller und mehr Impfstoff produzieren zu können.

Gesa Coordes

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