Express Online: Thema der Woche | 26. Juli 2007

"Strukturen wie im Drogenhandel"

Das Doping im Radsport findet scheinbar kein Ende. Der Marburger Juraprofessor Dieter Rössner plädiert für Durchsuchungen, verdeckte Ermittlungen und Abhörmöglichkeiten, um Dopingsünder zu überführen.

Dieter Rössner findet deutliche Worte: "Das sind mafiöse Strukturen, wie sie sonst im Drogenhandel vorkommen", sagt der Marburger Sportrechtler über das Geschäft mit Dopingmitteln. Um unerlaubte Mittel im Sport zu bekämpfen, plädiert der 62-jährige Juraprofessor für Durchsuchungen, verdeckte Ermittlungen und Abhörmöglichkeiten. Ohne ein scharfes strafrechtliches Instrument sei Doping nicht wirksam zu bekämpfen. Daher schlägt er dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft in seinem gerade abgeschlossenen Forschungsprojekt zur Situation der Dopingkontrolle in Deutschland ein strafrechtliches Antidopinggesetz vor, das auch die Sportler ins Visier nimmt.

Bislang gibt es nämlich eine zentrale Lücke im System: Doping wird zwar von der Sportgerichtsbarkeit verfolgt, ist aber nach staatlichem Recht erlaubt. In sofern hätte Jan Ullrich sogar Recht mit seiner Behauptung, niemanden betrogen zu haben, sagt Rössner. Verfolgt werden könne danach nur der Handel mit Doping-Produkten. Die Sportler selbst würden davon in der Regel nicht getroffen. Doch weil beim Dopen ähnlich hohe Gewinnmargen zu erzielen seien wie beim Drogenhandel, gebe es richtige kriminelle Netzwerke.

Um diese korrupten Strukturen zu knacken, reiche das Sportrecht nicht aus. Wie man am Fall des spanischen Arztes Fuentes sehe, müssten dazu auch Durchsuchungen und verdeckte Ermittlungen möglich sein: "Überall, wo man mit staatlichen Mitteln hineingegriffen hat, hat man Mannschaftswagen voll Doping gefunden", sagt der Wissenschaftler. Daher ist der begeisterte Mountainbiker auch nicht überrascht über die immer neuen Doping-Fälle.

Trotzdem wünscht sich Rössner mehr Möglichkeiten für die Sportler, sich gegen Vorwürfe zu wehren. Sein erster großer Fall drehte sich nämlich um den Leichtathleten Dieter Baumann. Und den hält Rössner tatsächlich für unschuldig. "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass hier einmal ein sauberer Sportler positiv gemacht wurde." Der Langstreckenläufer war 1999 positiv getestet worden. Es stellte sich aber heraus, dass der Wirkstoff in einem aufwendigen Verfahren in seine Zahnpasta gemixt worden war. Trotzdem wurde er für zwei Jahre gesperrt. "Das kommt dem mittelalterlichen Strafrecht gleich", kritisiert Rössner. Im Gegensatz zu den Radsportlern habe Baumann von sich aus alles offengelegt, Durchsuchungen in seinem Haus möglich gemacht, Haarproben abgeliefert und sich Lügendetektortests unterzogen. Alle Ergebnisse hätten darauf hingewiesen, dass ihm das Mittel heimlich untergejubelt worden sei.

Inzwischen sind Rössner und Baumann befreundet. Regelmäßig kommt der Olympiasieger zu Vorlesungen und Übungen an der Marburger Universität. Bei den nächsten Besuchen Mitte Juli wird Baumann ein Ethik-Seminar halten und einen Halbmarathon in Marburg laufen.

Der Fall Dieter Baumann hat mich in das Sportrecht hineingeworfen", sagt Rössner im Rückblick. Zehn Jahre lang hat der Schwabe als Richter und Staatsanwalt gearbeitet, bevor er Professor in Lüneburg wurde. Nach Stationen in Göttingen und Halle lehrt er seit 1997 in Marburg. Er gehörte zu den Wissenschaftlern in der Rechtskommission des deutschen Sports gegen Doping, wo er ein Antidopinggesetz forderte. Entsprechende Gesetzentwürfe hat er im Sportausschuss des Bundestages vorgestellt.

Dabei geht es dem Juristen aber nicht nur um die Sauberkeit des Leistungssports. Gesundheitlich viel gravierender sei die Tatsache, dass nach Untersuchungen etwa ein Fünftel der Besucher von Fitnessstudios zu Dopingpräparaten greifen. Dies sei besonders fatal, weil die Freizeitsportler im Gegensatz zu den Spitzenathleten meist nicht unter ärztlicher Kontrolle stehen. Verfolgen wolle er die Amateur-Doper aber nicht.

Gesa Coordes

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