Express Online: Thema der Woche | 29. März 2007

Gießen – eine Stadt wird Doktor

Rechtzeitig zur 400-Jahrfeier der Justus-Liebig-Uni können alle Bürgerinnen und Bürger von Gießen Doktor werden – zumindest Bürgerdoktor.

Für welche Leistung habe ich einen Doktortitel verdient? So lautet die Kernfrage des Kunstprojekts. Entscheidend ist dabei nicht die Größe oder wissenschaftliche Einzigartigkeit der Leistung. Ob Modellbau, Kindererziehung, Zivilcourage oder ehrenamtliches Engagement: ein Bürgerdoktor ist seinen eigenen Weg gegangen und hat dabei etwas Besonderes erfahren oder gelernt. Anwärter auf den Bürgerdoktor müssen dazu eine "Doktorarbeit" einreichen. Hierbei handelt es sich um ein Formular, in der die Leistung beschrieben, erläutert und ggf. illustriert wird. Der Startschuss für die Aktion fällt am 2. April. Dann stehen die Organisatoren – die Berliner Künstlergruppe KULTURMASSNAHMEN – fünf Tage lang mit ihrem mobilen Infostand bei den "Schwätzern" und versorgen die Gießener mit weiteren Informationen und den benötigten Formularen. Die Einreichungsfrist endet am 5. Mai 2007. Bis dahin müssen die Arbeiten im Gießener Stadtbüro (Bismarckstr. 5) eingegangen sein. Im Anschluss werden sämtliche Arbeiten öffentlich präsentiert, ausgewählte Bürgerdoktoranden erhalten zudem die Möglichkeit, ihre Leistungen in einer moderierten Abendveranstaltung am 18. Mai 2007 zu präsentieren und zu diskutieren. Am Tag darauf endet die Bürgerdoktor-Offensive mit der feierlichen Verleihung der Bürgerdoktorurkunden im Rahmen des Wissenschafts-Festivals.

Der Bürgerdoktor ist keineswegs als Konkurrenz zum akademischen Doktorgrad gedacht", kommentiert Boris Jöns die Aktion. Gemeinsam mit Sebastian Orlac und Thorsten Schwarz bilden sie die Berliner Gruppe KULTURMASSNAHMEN. Auf Einladung der Stadt Gießen haben die drei Kulturschaffenden den Bürgerdoktor konzipiert und ausgeschrieben. "Im Kern steht vielmehr die Auseinandersetzung mit den ganz eigenen Errungenschaften und Werten. Wir möchten gern wissen, auf welche Leistungen die Menschen persönlich stolz sind – welche Ideen und Projekte sie bewegen, welche aber im Alltag und in der Öffentlichkeit nicht unbedingt wahrgenommen werden", ergänzt Schwarz.

Die Gruppe KULTURMASSNAHMEN wurde 1997 gegründet und führt interdisziplinäre Veranstaltungen und Aktionen durch. Überregional haben sie sich mit der "Show des Scheiterns" einen Namen gemacht. Ihre Arbeiten realisierten sie unter anderem an den Münchner Kammerspielen, am Kampnagel Hamburg und am Berliner Maxim-Gorki-Theater. "Viele der Aktionen haben einen sozialen bzw. gesellschaftskritischen Aspekt. Dabei verzichtet KM jedoch auf eine explizite gesellschaftliche Utopie [...] Im Mittelpunkt steht vielmehr das von den Verwerfungen der Gegenwart erschütterte und lädierte Individuum, das innerhalb der Aktionen eine Art rituelle Aufmerksamkeit oder Tröstung erfährt." (Wikipedia)

Bürgerdoktor-Formulare gibt's unter www.wissen-schafft-stadt.de/buergerdoktor.htm
und unter anderem auch im Stadtbüro, wo die KULTURMASSNAHMEN ab 1. April unter Telefon 0641/306-2222 zu erreichen sind. Infostand bei den "Schwätzern": 1.-6. April jeweils 11-16 Uhr

kro/pe

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