Express Online: Thema der Woche | 8. März 2007

Schlechte Stimmung

Gut ein Jahr nach der bundesweit ersten Privatisierung eines Universitätsklinikums ist die Stimmung bei den Beschäftigten miserabel. Dagegen sieht sich Gerald Meder vom Rhön-Klinikum auf dem richtigen Weg.

Die neuen Herren der mittelhessischen Uni-Kliniken sind auf den ersten Blick nicht sichtbar. Der Name der Rhön-Klinikum AG taucht weder an der Pforte noch auf dem Briefpapier auf. Doch Ärzte, Schwestern, Fahrer und Verwaltungsmitarbeiter spüren den neuen Wind massiv.

Nach Angaben der Konzernleitung mussten 250 (3,8 Prozent) der 6560 Beschäftigten gehen. Ob die Zahlen stimmen, können betriebsräte und Gewerkschafter allerdings nicht sagen. Verdi-Gewerkschaftssekretärin Marita Kruckewitt weiß nur: "Es wird permanent Personal abgebaut." Klar ist auch: Befristete Verträge werden nur noch ausnahmsweise verlängert. Und es trifft vor allem Pflegekräfte, Verwaltungsmitarbeiter und Fahrdienste, während die Ärzte bislang glimpflich davongekommen sind.

Nach Vergleichszahlen aus anderen Kliniken ist der Personalbedarf der einzelnen Abteilungen analysiert worden. In der Folge sind viele Pflegekräfte versetzt worden. Krankenschwestern, die zum Teil 20 Jahre auf ihren Stationen gearbeitet haben, müssten in andere Abteilungen wechseln, erzählt die Marburger Patientenfürsprecherin und ehemalige Krankenschwester Cornelia Opitz: "Dann müssen sie noch dankbar sein, wenn sie innerhalb ihrer Stadt versetzt werden."

Auswirkungen auf die Patienten hat Opitz bislang aber noch nicht feststellen können. Die Beschwerden seien nicht häufiger und nicht anders als vor der Privatisierung. Auch in früheren Jahren sei es vorgekommen, dass Patienten gelegentlich in Notzimmern und auf den Fluren untergebracht werden mussten.

Dagegen berichten Ärzte und Pfleger, dass die Schichten vor allem am Wochenende schlechter und mit weniger examinierten Schwestern besetzt seien als vorher. Das führe dazu, dass Patienten länger auf den Intensivstationen bleiben, obgleich sie schon auf normale Stationen verlegt werden könnten. "Dort werden sie am Wochenende oft so schlecht versorgt, dass wir sie nach zwei Tagen wieder haben", stöhnt ein Arzt, der ebenso wie andere Mitarbeiter aus Angst um den Arbeitsplatz ungenannt bleiben will. Er berichtet von völlig überbelegten Stationen, auf denen bis zu zehn Betten auf dem Flur stünden: "Die Patienten beschweren sich in einer Tour."

Dagegen verweist der Gerald Meder, Vize-Vorstandschef der Rhön-Klinikum AG auf die überproportional gestiegenen Patientenzahlen. Das Plus von 3,6 Prozent in Gießen und zwei Prozent in Marburg zeige, "dass die Patienten trotz der Privatisierung weiterhin Vertrauen in das Universitätsklinikum haben". Zudem seien eher schwerere Fälle behandelt worden. Engpässe habe es lediglich wegen der seit November grassierenden Noro-Virus-Welle gegeben.

Meder geht davon aus, dass die Rhön-Klinikum AG in den nächsten Jahren zehn Prozent des Personals abbauen wird: "Aber das hat nichts mit der Privatisierung zu tun", betont der Krankenhausmanager: "Das ist die allgemeine Entwicklung." Um nicht entlassen zu müssen – das ist nach dem Vertrag mit dem Land bis 2010 auch gar nicht möglich –, hat der Konzern einen Sozialfonds eingerichtet, mit dem früherer Rentenbeginn abgefedert wird und Mitarbeiter umgeschult werden. So sei bereits jetzt absehbar, dass durch den Neubau des Gießener Universitätsklinikums viele Krankenfahrten wegfallen würden, die bislang zwischen den zahlreichen Gebäuden notwendig seien. Dann brauche man den Fahrdienst kaum noch. Deswegen gebe es zum Beispiel Umschulungen zu Rettungssanitätern.

Dass es angesichts der Versetzungen eine "gefühlte Unruhe" gebe, kann Meder durchaus verstehen: "Die Leute wollen an den gegebenen Arbeitsplätzen festhalten. Aber langfristig ist das eine Fehlentscheidung."

Freilich hat sich auch das Klima verändert, erzählt Betriebsratsvorsitzender Klaus Hanschur: "Um Mitbestimmungsrechte wahrnehmen zu können, habe ich 2005 so oft mit gerichtlichen Schritten drohen müssen, wie in den ganzen jahren zuvor noch nicht." Die Beschäftigten sorgen sich um die zähen Verhandlungen über den Haustarifvertrag. Die Mitarbeiter von Wäscherei, Küche und Transportdiensten fürchten, dass sie in Zukunft Tochtergesellschaften arbeiten müssen. Ein Teil des Reinigungsdienstes wurde bereits vor der Privatisierung ausgegliedert. Den Betroffenen fehlen Weihnachts- und Urlaubsgelder.

Zudem wissen die Kliniksmitarbeiter sehr gut, dass die Arbeitsplatzgarantie nur bis 2010 gilt. Ab dann sind betriebsbedingte Kündigungen wieder möglich. "Es gibt viel Angst", erzählt der SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Arzt am Uni-Klinikum, Thomas Spies: "Aber Leute in Heilberufen werden da nicht wütend. Sie werden traurig."

Gesa Coordes

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