Express Online: Editorial | 15. Februar 2007

Rauschgeschichten

Ob es sich um das lang erwartete Standardwerk handelt, sei mal dahin gestellt, aber den beiden Journalisten Ingo Niermann und Adriano Sacks ist mit "Breites Wissen" eine kurzweilige Einführung in das Fach Drogenkunde gelungen. Ein Sammelsurium aus Lexikon-Artikeln, Kommentaren und Anekdoten ist ihr Werk geworden, das den Untertitel "Die seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer" trägt.

Dass vieles darin einen hohen Unterhaltungswert hat, liegt daran, dass Niermann und Sacks vor allem Personalia aneinander reihen. Von Hollywood bis St. Moritz, vom Film- bis zum Rockstar oder Multimillionär sind es vor allem geraffte Kurzporträts, die einen schmunzeln lassen.

Sei es Schauspieler Robin Williams, der völlig zugekokst auf Woody Allens Party in eine Ming-Vase pinkelt, die Drogenchroniken der Beatles inkl. Uschi Obermaier und der "besten Selbstauskünfte Keith Richards". Herrliche Eingeständnisse finden sich auch von Helmut Berger bis Jack Nicholson.

Nur bei einem nicht: Adolf Hitler. Der nicht rauchende vegetarische Anti-Alkoholiker war seit 1937, berichten Niermann und Sacks, vom morphiumsüchtigen "Reichsspritzenminister" Göring täglich mit Amphetamin, später Kokain und Opiaten versorgt worden. Als Hitlers Leibarzt Dr. Morell wenige Tage vor Kriegsende mit allen Mittelchen den Bunker verließ, soll der Führer sich mit den letzten kokainhaltigen Augentropfen selbst behandelt haben und war vor seinem Selbstmord "funktional blind".

Rüdiger Oberschür



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