Express Online: Thema der Woche | 7. September 2006

Kunststück

Seit knapp vier Jahren schreibt das Gießener Mathematikum Erfolgsgeschichte. Das Mitmachmuseum, in dem die scheinbar so komplexe Zahlenkunst spielerisch vermittelt wird, zählt inzwischen rund 550.000 Besucher.

Etwa 140.000 Besucher zieht das weltweit erste Mathe-Mitmachmuseum im Schnitt jährlich an. "Ich glaube, dass damit das Maximum in einer Region wie Mittelhessen erreicht ist, in einer Großstadt wie Frankfurt wäre natürlich noch mehr möglich", sagt Museumsgründer und -leiter Albrecht Beutelspacher.

Dabei reisen die Besucher längst nicht nur aus der näheren oder weiteren Umgebung in das Science-Center in der oft als wenig attraktiv geschmähten 73.000-Einwohner-Stadt an der Lahn. Seit der Eröffnung im November 2002 ist das Mathematikum der unbestrittene Publikumsmagnet in Gießen.Das Publikum ist international – mit Gästen aus über 50 Nationen.

Dabei hat das Museum im ehemaligen Gießener Hauptzollamt mit einer Million Euro im Jahr im Vergleich zu anderen Science Centern, in denen Wissenschaft spielerisch erlebt werden kann, einen minimalen Etat. Außerdem trägt sich der Betrieb ohne staatliche Förderung.

Für den anhaltenden Erfolg sorgen der ideenreiche Matheprofessor Beutelspacher und sein Team etwa mit der monatlichen Vorstellung eines neuen Exponats, einer Talk-Reihe, Experimentalvorführungen, Kindervorlesungen, Ferienworkshops, Lehrerfortbildungen und nicht zuletzt mit der 2004 begonnen Reihe "Kunst im Mathematikum".

Die Kunstschau "New York meets Gießen" mit Bildern des renommierten amerikanischen Popart-Künstlers James Rizzi bescherte dem Mitmachmuseum 2004 einen neuen monatlichen Besucherrekord mit fast 17 000 Gästen. Die Ausstellung mit Werken von Tigerenten-Erfinder Janosch 2005 zählte gar gut 20.000 Besucher. Die bekannten Künstler sind aber nicht allein das Erfolgsrezept: "Die meisten Kunstausstellungen kumulieren in der Vernissage. Bei uns ist das aber nur der Ausgangspunkt", sagt Beutelspacher. So kommen Führungen, eine Kunst-Cocktail-Nacht und Vorträge dazu.

Georg Kronenberg

Abgehängt

100 Skizzen, Drucke und Fotografien der Verhüllungskünstler Christo und Jeanne-Claude werden im Gießener Mathematikum gezeigt.

Verhüllter Reichstag in Berlin, 5600 Kubikmeter Paket in Kassel und jüngst noch in Erinnerung – Die Tore im New Yorker Central Park: "Christo und Jeanne-Claude akzentuieren mit ihren Verhüllungen Grenzen. Grenzen sind auch in der Mathematik ein großes Thema",sagt Mathematikumsleiter Albrecht Beutelspacher und schlägt damit den Bogen zwischen Projekten der beiden Künstler und seiner Wissenschaft. Ähnlich sieht es Saskia Hammann von der Wetzlarer Galerie am Dom, die wieder die künstlerische Leitung übernommen hat: "Neben all der Kreativität, gehört ganz viel Organisation und Planung zu den Projekten von Christo und Jeanne-Claude."

Gemeinsamer Nenner für die Werke ist die Verwendung von Stoff und Gewebe – vergängliches Material. Das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude errichtet zeitlich begrenzte Werke, um damit Gefühle zu wecken, die sonst anderen temporären Ereignissen zugeschrieben werden – etwa der Kindheit oder der Vergänglichkeit des eigenen Lebens.

Chronist der Projektkunst auf Zeit ist seit 1971 Fotograf Wolfgang Volz. Er referiert im Rahmenprogramm über das Werk von Christo und Jeanne-Claude.

Ebenfalls eng mit den Künstlern verbunden ist Hartmut Ayrle. Der Architekt und Professor an der Bremer Hochschule leitete die technische Umsetzung der Reichstagsverhüllung. Im Workshop "Bauen mit Textil und Draht" für Kinder gibt er seine Begeisterung für das Bauen mit ungewöhnlichen Werkstoffen weiter. Über "Die Reichstagsverhüllung – ein Kunstwerk und seine bautechnische Realisierung" berichtet er am 23.9., 20.00 Uhrt.

Christo und Jeanne-Claude – Unikate, Grafiken, Drucke und Fotos": bis 15.10., Mathematikum Gießen. Vernissage: 9.9. 17.00 Uhr.

Georg Kronenberg



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