Express Online: Thema der Woche | 15. Juni 2006

"Ich bin kein Künstler ..."

Info
Studentengruppen und Schulklassen, die an einer Projektarbeit interessiert sind oder sich zunächst genauer informieren möchten, z. B. durch einen vom Künstler begleiteten Ausstellungsbesuch, können sich über das Studentenwerk mit Thomas Gebauer in Verbindung setzen: Nicole Negwer (Öffentlichkeitsarbeit), Telefon: 06421 / 296-113 oder E-Mail: info@studentenwerk-
marburg.de
Auch, wer sich an der Plakataktion "Safer sex saves life" beteiligen möchte, die den zweiten AIDS-Awareness-Day im Dezember mit vorbereiten wird, bekommt vom Studentenwerk weitere Informationen.
Ein Spendenkonto für Nyumbani ist bei der Volksbank Mittelhessen eingerichtet: BLZ: 513 900 00, Konto: 18408201, Stichwort: "I see Nyumbani". Weitere Informationen und Links: www.nyumbani.org und www.i-see.de
"... ich bin eine Art Entwicklungsarbeiter", sagt Thomas Gebauer, dessen neueste Ausstellung "We see Nyumbani" zur Zeit in verschiedenen Räumen des Studentenhauses zu sehen ist.

Die Entwicklung müsse allerdings hauptsächlich hier und in unseren Köpfen stattfinden, um dann auf die Menschen zurückwirken zu können, für die Gebauer sich mit seiner künstlerischen Arbeit einsetzt. Diese Menschen sind HIV-infizierte Waisenkinder in und um Nairobi, die in dem 1992 gegründeten Kinderheim "Nyumbani" ein Zuhause finden – denn das ist die Bedeutung des Kiswahili-Wortes.

In den Slums von Nairobi leben die Menschen unter Bedingungen, die Gebauer als eine Kriegssituation bezeichnet. Täglich vom Hungertod bedroht, ohne Zugang zu Trinkwasser, ohne Chance auf Bildung oder ärztliche Versorgung, ohne Hoffnung auf eine Teilhabe am Reichtum unserer Welt. Hier kommt die Bedrohung durch AIDS einem Albtraum gleich: Während die HIV-Infektionsrate im Landesdurchschnitt schon 14 % beträgt, liegt sie in den Slums bei 60 %. Den Waisen der Aidsopfer und den Findelkindern, die von aidskranken Eltern ausgesetzt werden, gibt "Nyumbani" die Chance auf medizinische Betreuung, Bildung, Geborgenheit und eine Zukunft.

Mit seiner Ausstellung "We see Nyumbani" möchte Thomas Gebauer das Bewußtsein sowohl für individuelle Verantwortung im Hinblick auf Aids schärfen, als auch für weltweite gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge. Gemeinsam mit dem Studentenwerk möchte er solidarische Aktionen für Nyumbani inspirieren. Denn, so seine Überzeugung, die Verelendung durch Aids könnte aufgehalten werden, wenn wir unsere Kraft und unsere Ressourcen verantwortungsvoller verwendeten.

Die gut besuchte Vernissage am 8. Juni wurde voller positiver Energie begleitet vom Kimba-Djembé-Orchestra / "La Percussion", das die Besucher mit seinen afrikanischen Rhythmen durch die Ausstellungsräume führte. Eindrückliche Portraitfotos der "Nyumbani"-Waisenkinder bilden im Erdgeschoß des Studentenhauses den Auftakt der Ausstellung, und eine Etage höher, im Lesesaal, erwidern Fotos von Jugendlichen aus unserem Landkreis die Blicke der Kinder. In diesem virtuellen Blickkontakt liegt für Gebauer eine Grundidee der Ausstellung und der an sie geknüpften Projekte. Bei den afrikanischen Tula gibt es die Vorstellung, daß jeder Mensch zwei Seelen hat: eine "größere", die unserer europäischen Vorstellung nahe ist, und eine kleinere, in und mit unserem Körper "reisende Seele". Bei einem Blickkontakt kann sie sich mit der "reisenden Seele" eines anderen Menschen austauschen und ermöglicht dadurch ein gegenseitiges Verstehen.

Dieser Austausch der Blicke soll u. a. im Rahmen einer Plakataktion in den nächsten Monaten Realität werden. Vorbereitend zum "AIDS Awareness Day" im Dezember können sich Studenten und Schüler ganz konkret an der künstlerischen Projektarbeit beteiligen: Oben in der Mensa gibt es Platzhalter, gerahmte und farbig grundierte Leinwände, die als Plakate zum Thema "Safer sex saves life" noch auf eine Gestaltung warten.

Auf welcher thematischen Bandbreite sich die Gestaltung angesichts der Herausforderung durch Aids bewegen kann, zeigen die anderen Exponate in den Mensaräumen: menschliches Leid und Verletzlichkeit ("Penthesilea"), fast absurd anmutender Überlebenswille ("Der Himmel über Bagdad möge Brot und Vitamine bringen"), die Perversitäten globaler Ökonomie ("Hunger ist stark wie ein Ferrari") oder der Appell an unser alltägliches Handeln ("One future to take care of") scheinen für Thomas Gebauer nur einige Landmarken auf dem Weg nach "Nyumbani" zu sein.

Ulrike Rohde



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