Express Online: Thema der Woche | 2. März 2006

Dicke Luft

Seit Jahresbeginn sind die Höchstwerte für Feinstaub in Marburg bereits an 16 Tagen überschritten worden.

Damit hat die Universitätsstadt ähnlich dicke Luft wie Wiesbaden. In Frankfurt, Kassel, Gießen und Wetzlar sind die Werte aber deutlich höher. In Wetzlar und an der Gießener Westanlage wurden je 19 Überschreitungen registriert. Den Rekord hält die Messstation an der Friedberger Landstraße in Frankfurt, wo die Höchstwerte schon an 29 Tagen überschritten wurden.

Eine realistische Einschätzung der Luftbelastung in Marburg ist erst seit dem 1. Januar diesen Jahres möglich. Bis dahin wurde nämlich nur im vergleichsweise verkehrsarmen Südviertel gemessen. Jetzt steht eine neue Luftmessstation in der viel befahrenen Universitätsstraße unweit des Rudolphsplatzes. "Die Daten belegen eine hohe Belastung vor allem für Kinder und ältere Menschen", sagt Umweltdezernent Franz Kahle (B90/Grüne). Insgesamt liegt Marburg nach Angaben des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie aber im mittleren Bereich.

Durch die lang anhaltende Inversionswetterlage mit wenig Wind sind die Feinstaubwerte in ganz Hessen angestiegen. Laut EU-Feinstaubrichtlinie sind allenfalls 35 Tage mit zu hoher Rußpartikel-Konzentration pro Jahr tolerabel. Wo dies überschritten wird, müssen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ergriffen werden. Deswegen mussten Frankfurt, Darmstadt und Kassel Pläne zur Luftreinheit entwickeln. In Marburg hat sich die Kommune bislang darauf beschränkt, ihre Busflotte und anderen Fahrzeuge auf Gas umzurüsten, beziehungsweise Rußfilter einzubauen. Zur Zeit wird mit dem Umweltbericht zum Thema "Luftbelastung und Klima in Marburg" eine Grundlage für einen möglicherweise notwendigen Luftreinhalteplan erarbeitet. Zunächst soll jedoch abgewartet werden, ob die Grenzwerte 2006 an mehr als 35 Tagen überschritten werden.

In der Vergangenheit hat dies selbst die Messstation im Marburger Südviertel bereits einmal registriert - während des vom ungewöhnlich heißen Sommer geprägten Jahres 2003. Im vergangenen Jahr wurden die Grenzwerte dagegen nur an drei Tagen überschritten. Kahle räumt aber ein: "Durch unsere Tallage sind wir für Inversionswetterlagen anfällig."

Die Werte der Marburger Luftmessstationen können über die Internetadresse www.hlug.de abgerufen oder beim Umwelttelefon der Stadt (Tel. 06421-201403) erfragt werden.

Gesa Coordes


Express Online: Thema der Woche | 2. März 2006

Keine Chorknaben

Die Vokalformation "Ensemble Six" singt gern über Frauen und bringt die 20er und 30er Jahre zurück auf die Bühne.

Seit nunmehr dreizehn beweist die Vokalformation "Ensemble Six", dass nicht nur Rock 'n Roll es schafft, die Gemüter international zu bewegen. Mit ihrer stilsicheren Wiederbelebung der "Frack-Musik", wie "Ensemble Six" es nennen, begeisterte die Combo schon auf vielen Bühnen der renommiertesten Häuser ihr Publikum: Bereits ihr Debüt gab das Sextett im Circus Roncalli. Auftritte im Konzerthaus Wien, der Dresdner Semperoperoder dem Leipziger Gewandhaus folgten. Kein Wunder, denn ihre Show ist ein kleines Gesamtkunstwerk. Weit mehr als ein Liederabend in jedem Fall. Zwischen strenger Chorknabenmanier und wildem Slapstick liegt das breit gefächerte Spektrum des Ensembles.

Die Vokalformation überzeugte vergangene Woche im Karstadt Kulturcafé durch ein ausgewogenes Verhältnis von hochkarätiger Musikalität und seichtem Scherz. Doch auch für ganz tragisch anmutende Kunstlieder haben die Herren manches Stimmband übrig. Im Kulturcafé sangen Rüdiger Ballhorn am ersten Tenor, André Neppel am dritten Tenor. Karsten Lehl am Bariton, Holger Müller am Bass und Andreas Wellen am zweiten Tenor. Um die Tastenkombinationen kümmerte sich, das ein oder andere Mal sogar solistisch, Michael Reuter.

Hier dreht sich alles um die legendären Vokalgruppen der 20er und 30er Jahre, die mit Ohrwürmern wie "Ich wollt ich wär' ein Huhn" oder "Mein kleiner, grüner Kaktus" als erste "Boygroups" der Musikgeschichte Welterfolge feierten. "Ensemble Six" haben dafür das stimmige Programm einer historischen Sammlung an Liedgut geschaffen und stellen in Cordjackett oder Smoking ein authentisches Stück klassischer Unterhaltung zusammen, das dem Publikum den ganzen Horizont der früheren Kabarett-Kultur eröffnet.

Mit einer pompösen Gesangsvereins-Version von "Flieger, grüß mir die Sonne" ging es los über die musikalischen Wolken und endete oft bei mancher Frauengestalt, die es zu besingen galt. Ob Marianne, Eva oder einfach ein "Chanson über eine Unbekannte", das inhaltliche wie musikalische Spektrum dieses "Ensemble Six" ist reichhaltig und abwechslungsreich.

Fünf Stimmen ein Klavier, das ist die Maxime des Ensembles und damit lässt sich wahrlich bestens unterhalten, zumal es den Musikern auch an Schauspieltalent nicht mangelt. "Ensemble Six" wagen manchen Slapstick, erzählen süffisante Anekdoten stellen sich hervorragend in die Fußstapfen ihrer Vorbilder der "Comedian Harmonists" oder der legendären "Revellers" und sind sich selbst für manch alberne Kostümierung nicht zu schade.

Rüdiger Oberschür



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