Express Online: Thema der Woche | 16. Februar 2006

"Ein bisschen mäßig"

Stefan Raabs Bundesvision Song Contest 2006 in Wetzlar

Der Sieger steht für Eike Rösler längst fest. "Es ist überhaupt keine Frage, dass Revolverheld das Rennen machen wird", jubelt die 32-jährige Bremerin im schwarzen Revolverheld-Fan-T-Shirt und hält ein Holzschild mit dem Bandnamen weit über ihren Kopf. Ihre Freundinnen Nicole und Franziska, ebenfalls in Fankluft, sind zwar auch ziemlich sicher, dass der Bremer Beitrag bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest die besten Chancen hat, "denn die sind Kommerz".

Um auf Nummer Sicher zu gehen, setzen Sie in der Werbepause vor dem Bierstand der Mittelhessen-Arena schnell noch mal alle verfügbaren Überredungskünste ein: "Revolverheld sind Popstars, ihr müsst für sie abstimmen" reden beide ausgelassen auf ein paar andere Zuschauer ein.

Auch im Hause Rösler hat Eheman Ibo – trotz der Siegesgewissheit seiner Frau – seinen Teil zum Abstimmungsergebnis bereits beigesteuert. "Mein Mann hat 37 mal angerufen", erzählt Einzelhandelskauffrau Eike lachend, obwohl die Wahl von Deutschlands bester Band bei der Raab-Show für sie eigentlich zweitrangig sei: "Wir wollen einfach Spaß haben und eine Party feiern!" Dafür sind die Bremer rund sechs Stunden mit dem vom Privatradiosender "Energy Bremen" gesponserten Bus durchs Schneegestöber nach Mittelhessen gefahren. Eike: "Wir wussten vorher gar nicht, wo Wetzlar liegt."

Unter den rund 4.000 Besuchern aus allen 16 Bundesländern in der allerdings nicht ausverkauften Mittelhessen-Arena ist die Stimmung derweil längst nicht überall so überschwänglich, wie in den Fanblocks von "Revolverheld" oder Niedersachsen, wo Sänger Marlon mit Transparenten, Fähnchen und überdimensionierten Plastikhänden, die allesamt der örtliche Radiosender "FFN" spendiert hat, lautstark angefeuert wird.

Gegenüber, im Block G, sitzen in der ersten Reihe die Siebtklässler Yannick und Manuel neben ihrem Vater Thomas Schawaller. Die Hände im Schoß, schauen die Jungs aus Usingen still und gebannt zur Bühne hinauf. Für den zwölfjährigen Manuel ist es das erste Konzert. Sein großer Bruder dagegen kennt sich aus. "Ich war schon bei den Toten Hosen und einer FFH-Party", erzählt der 13-Jährige mit der hochgegelten Tolle. Ihr aus einem Bettlaken selbst gebasteltes Transparent haben die beiden Brüder zur Halbzeit des rund vierstündigen Contests noch nicht entrollt. Ihr Favorit, die Dancehall-Reggae-Combo "Seeed" tritt erst als letzte der 16 Bands an.

Papa Schawaller, eigentlich Frank Zappa-Fan, ist zwar insgesamt guter Dinge, findet die Atmosphäre aber "ein bisschen mäßig": "Hier gibt's 16 verschiedene Fangruppen, deshalb jubelt immer nur ein Teil des Saals. Bei einem richtigen Konzert stehen alle hinter der Band."

Bei seinem Nachwuchs vertreibt der Gedanke an Seeeds Auftritt freilich jeden Anflug von Müdigkeit. "Morgen in den ersten beiden Schulstunden haben sie nur Sport und Religion", sagt der Vater augenzwinkernd. Und als sich die siegessicheren Seeed-Fans gegen Ende der Live-Sendung fahnenschwenkend im Gang versammeln, sind Manuel und Yannick ganz vorne mit dabei. Als Raab auf der Bühne die Berliner Formation schließlich offiziell zum Sieger kührt, ballt Yannick freudestrahlend die Faust. "Geschafft!"

Von den einst so lautstarken Revolverheld-Fans ist trotz des zweiten Platzes ihrer Band nichts mehr zu hören. Auch für Eike und Ibo ist die Party vorbei, ihre Fanmontur haben sie längst abgelegt und drängen im Flur eilig in Richtung Bus.

kro/sae



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