Express Online: Editorial | 14. September 2006

Verlust

Es ist zum Allgemeinplatz geworden, über die verunglückte Rechtschreibreform im Deutschen zu schimpfen. Geschah meist wohlgesetzt in den Feuilletons, hat sich schon wieder etwas gelegt. Fahren Se' aber mal mit 'nem öffentlichen Verkehrsmittel und sperren die Lauscher auf. Dann werden Se' ruckzuck feststellen, dass der Verfall von Sprachkultur bereits in Welten beginnt, in die noch nie eine Sprachpfleger-Kommission ihren Fuß gesetzt hat. Beim Lautstand.

Konkret möchte ich mal eben den Verlust des Reibelautes "-ch" beklagen. Vorzugsweise desjenigen, der in Begleitung eines freundlich-hellen Vokalgesellen "i" seinen Auftritt zu haben pflegt. Diese elegant-schlanke Einheit wird in Bussen und Bahnen grundsätzlich – und nicht nur in Hessen – zum maulfaulen "-sch" verzischt.

Das beleidigt nicht nur das Ohr des unfreiwilligen Zuhörers. Das ist auch dämlich. Weil so sang- und klanglos ein weiteres Differenzierungspartikelchen von Wirklichkeit verschwindet. Und eines Tages die eh schon schwankende Welt noch über uns zusammenschwappen wird. Dann ist das Geschrei wieder groß.

Isch schwör.

Michael Arlt



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