Zur OB-Wahl 1999 habe er eigentlich nicht antreten wollen, erzählt Dietrich Möller. "Ich habe gedacht, ewig kann man kein Glück haben." Schließlich war sechs Jahre zuvor in der linken Unistadt etwas völlig Unerwartetes geschehen: Der langjährige Landtagsabgeordnete Möller, als Zählkandidat für die CDU im rot-grünen Marburg angetreten, hatte sich bei der ersten Direktwahl des Rathauschefs in Marburg gegen seinen SPD-Gegenkandidaten Gerhard Pätzold mit einem hauchdünnen Vorsprung durchgesetzt.
Der Grund: Pätzold, der als sicherer Sieger galt, hatte sich statt für rot-grün für eine große Koalition ausgesprochen. Etliche Anhänger der Grünen gaben daraufhin bei der Wahl leere Stimmzettel ab. Damals hätten so manche Grüne auch T-Shirts mit der Aufschrift "Wir wollen den Jägermeister und nicht den Bürgermeister", getragen, erinnert sich der passionierte Jäger Möller.
Seiner Bürgernähe verdankte der gelernte Landwirtschaftsmeister Möller 1999 die Wiederwahl mit 53,5 Prozent der Stimmen. "Man soll immer vorsichtig sein, wenn man das parteipolitische Schild vor sich herträgt. Man kann nicht hingehen und sagen ich bin für alle Bürger da und gleichzeitig sagen, das Parteibuch ist mein Gebetbuch", so Möller heute.
Tatsächlich ging Möller, der von sich sagt, "ich war nie pflegeleicht", mit seiner Partei so hart ins Gericht, das sich die CDU-Fraktion vor fünf Jahren spaltete. Vier Abgeordnete traten wegen Möllers Führungsstil aus, den sie als zu selbstherrlich empfanden. Möller selbst gibt persönliche Gründe für den Bruch an, durch den die Marburger-Bürger-Liste entstanden ist.
Zu seinen politischen Erfolgen rechnet der 67-Jährige die erfolgreiche Konversion ehemaliger Kasernen, den Ausbau von Marburgs Mitte mit Cineplex, Kunsthalle, Erlenringcenter und Louisa-Haeuser-Brücke und die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Stadt, Wirtschaft und Universität.
Dabei arrangierte sich der schwarze OB bei wechselnden Mehrheiten im Parlament mit dem früheren sozialdemokratischen Baudezernenten Jürgen Gotthold. Kritisch beäugt von CDU wie SPD brachten beide so manche Entscheidung auf den Weg. Seit 1997 musste Möller gegen eine rot-grüne Mehrheit regieren, taktierte dabei geschickt und konnte wiederholt Parlamentsbeschlüsse blockieren.
Inzwischen ist das Verhältnis des "Landgrafen von Marburg", so eine Kritik der Linken an Möller, etwa zu seinem sozialdemokratischen Amtsnachfolger Egon Vaupel, entspannt. Schließlich habe es bei Sachfragen in Marburg auch immer eine konstruktive, Partei übergreifende Zusammenarbeit gegeben, sagt Möller. Den "zentralen Planungsstab", den Vaupel zur besseren Stadtentwicklung einrichten will, hält Möller denn auch für eine "gute Idee". Er habe 1993 einen ähnlichen Vorschlag gemacht, sei damals aber nicht damit durchgekommen.
Dass die CDU nach zwölf Jahren den Chefsessel im Marburger Rathaus verloren hat, wundert Möller wenig. "Die haben das alles zu spät angefangen. Die hätten ihren Kandidaten früher raus bringen müssen", sagt er. Denn: "Wenn man ein bisschen Glück hat, und die Menschen einen ein bisschen kennen, dann hat man auch eine Chance, in einer solchen Stadt gewählt zu werden."
Künftig möchte der scheidende OB und frisch wieder gewählte Präsident des Landesjagdbunds öfter auf dem Hochsitz, statt auf dem Podium bei politischen Diskussionen sitzen. Auf seinem Anwesen in Oberweimar will er "einfach tagsüber mal wieder in den Wald gehen und nach Hase und Reh schauen dürfen."
Na sowas! Erstaunlich, wer so alles nach Jahren der Abstinenz wieder aus der Versenkung auftaucht: Da treten ehemalige NDW-Granden wie Geier Sturzflug, Peter Schilling und Hubert Kah bei der 80er-Jahre-Kultnacht von HR3 auf. Die private Konkurrenz von FFH greift mit den Pop-Dinos Duran Duran und Lisa Stansfield ebenfalls tief in die Retro-Kiste. Comedy-Fans kommen mit Mundstuhl ("Dragan & Alder"), Badesalz und Willy Astor auf ihre Kosten. Und die Freunde der Siebziger werden mit Konzerten von Smokie, Suzi Quatro, Jethro Tull und Status Quo bedient.
Daneben heizen topaktuelle Chart-Stürmer wie Silbermond und die Toten Hosen dem Publikum mächtig ein. Nicht zu vergessen jede Menge Klassik, Jazz und Volkstümliches.
Das alles fand nicht etwa auf einer Großveranstaltung im fernen Berlin oder Frankfurt statt, sondern konnte live und in Farbe beim Hessentag besichtigt werden, der diesmal in der barocken Residenzstadt Weilburg seine Zelte aufschlug. Dabei ist das durchaus wörtlich gemeint. Denn neben zahlreichen Open-Air-Events gab es so manches Happening unter überdeckten Planen. Insgesamt umfasste das Großereignis rund 1350 Veranstaltungen.
Jede Menge Jahrmarkt-Atmosphäre bot beispielsweise das gleichwohl belebte wie beliebte Polizei-Bistro. Neben allerlei Kulinarischem konnte das geneigte Publikum hier zahlreichen Show-Einlagen wie den Klängen einer Robbie-Williams-Coverband lauschen oder sich über die vielfältigen Aufgaben und Aktivitäten unserer uniformierten Freunde und Helfer informieren.
Gelegentlich fühlte man sich beim Flanieren durch die Weilburger Straßen angesichts zahlloser Duftkerzen-, Textilien- und Imbiss-Stände an die heimischen Weihnachtsmärkte erinnert. Ein Cocktail aus Zuckerwatte und Mandel-Aroma tat sein Übriges. Lediglich die Temperaturen von 30 Grad und mehr wollten irgendwie nicht so recht dazu passen.
Angesichts des mediterranen Klimas erfreuten sich die lauschigen Plätze unter den Lindenbäumen im Weindorf am Weilburger Schloss großer Beliebtheit. Hier waren vor allem an den Abenden die Genießer unter sich. Wer es fetziger mochte, besuchte eine der vielen Disco-Partys im "HR-Treff".
Trotz der hochsommerlichen Hitze zog auch die Landesausstellung mit ihrem umfangreichen Informationsangebot viele Besucher an. Themenschwerpunkte waren vor allem die hessischen Aktivitäten und Innovationen bei Forschung, Bildung und Verkehr. Dem heimischen Handwerk, Handel und der Industrie sowie den Bereichen Landespolitik und Sport wurden ebenfalls zahlreiche Foren geboten. Zum Publikumsmagneten entwickelte sich auch die Sonderschau "Der Natur auf der Spur", bei der die Mittelgebirgslandschaft der Region entlang der Lahn zwischen Westerwald und Taunus in Miniatur besichtigt werden konnte.
Derweil sollte sich für viele junge Eltern eine Art Ikea-Effekt einstellen. Denn wie beim Möbel-Discounter, kümmerten sich auch die Hessentags-Organisatoren liebevoll um den Nachwuchs, während sich Papa und Mama ihrem Erwachsenen-Programm widmeten. Für die Kleinen hatte zum Beispiel Märchenonkel "Achim 1. von Wettesingen" jede Menge lustige Geschichten auf Lager. Und das alles in der weitläufigen Schlosspark-Anlage, also mitten im Grünen und in dementsprechend schattiger und frischluftgeschwängerter Umgebung. Wer keine Lust auf Märchen hatte, der konnte sich in den Zelten des Nestlé-Kinderlands mit Theaterstücken und allerlei Spielangeboten beschäftigen ... Ein Schuft, wer jetzt böses denkt und dem Lebensmittelkonzern mehr als nur selbstloses Engagement für den Nachwuchs unterstellt.
Ganz in der Nähe sorgte eine aus Kindern unterschiedlichsten Alters bestehende Stepptanz-Formation à la Michael Flatley für jede Menge Begeisterung beim überwiegend erwachsenen Publikum.
Etwas zackiger ging's auf dem "Platz der Streitkräfte" zu. Aber keine Angst: Stechschritt und harscher Befehlston herrschten hier ebenso wenig vor wie dröhnende Panzer. Lediglich ein paar Jungs in Bundeswehr-Uniform fielen ein wenig aus dem durch eher spärliches Sommer-Outfit geprägten Rahmen. Doch Groß und Klein störte das wenig. So testeten ein paar Steppkes fröhlich den Sitzkomfort eines Bundeswehr-Hubschraubers oder begutachteten diverse Truppenfahrzeuge aus der Nähe. Unweit davon wurden beim "Tag der Feuerwehrgeschichte" neben historischen Löschfahrzeugen und Pumpen eine "Sicht Null"-Multimedia-Darbietung nebst Lösch-Vorführung präsentiert.
Auf Schritt und Tritt dabei: Allerlei Löwen-Skulpturen in verschiedensten Farben und Ausführungen. Investigatives Nachfragen bei einem der zahlreichen Info-Stände fördert die Lösung zutage: Es handelt sich um das Weilburger Wappentier. Einen Schwerpunkt bildete auch diesmal das Brauchtum. Die "Hessische Vereinigung für Tanz und Trachtenpflege" widmete sich in zahlreichen Veranstaltungender Folklore und allem, was damit zu tun hat. Für viele wohl eine der seltenen Gelegenheiten, sich mit dem sonst oft belächelten Thema näher auseinander zu setzen. Die Landesregierung jedenfalls sieht laut Pressemitteilung in der Verbindung von Tradition und Moderne die besondere Attraktivität solcher Feste für die Besucherinnen und Besucher.
Traditionsgemäß endete der Hessentag vergangenen Sonntag mit einem Festzug, bestehend aus 179 Zugnummern. Musik- und Trachtengruppen sowie Reiter und Motivwagen erreichten zusammen eine Länge von 13 Kilometern.
Fazit: Das diesjährige Motto "Nach Weilburg ist kein Weg zu weit zum Hessentag voll Fröhlichkeit" wurde meist mit jeder Schwung und Elan in die Tat umgesetzt.
Copyright © 2005 by Marbuch Verlag GmbH |