Express Online: Thema der Woche | 7. April 2005

Im TV: Fehlanzeige

Timo Boll, der Weltklassesportler aus Gönnern, im Express-Gespräch über die mangelnde Medienpräsenz von Tischtennis und seine sportlichen Ziele

Kaum eine Sportart verlangt von ihren Akteuren mehr Konzentration und Nervenstärke wie die schnellste Sportart der Welt. Einer der herausragenden Sportler auf internationaler und nationaler Ebene ist in den letzten Jahren der frischgebackene deutsche Meister Timo Boll aus Höchst im Odenwald. In Stadtallendorf holte er sich bei den deutschen Meisterschaften 2005 den fünften Titel in Folge im Einzel und zusammen mit Düsseldorfs Bundesligaspieler Christian Süß im Doppel.

Seine Karriere begann er in der Schüler-Kreisliga beim TSV Höchst. 1994 wechselte er zur Oberligamannschaft der FTG Frankfurt. Von da an ging es sehr schnell bergauf. Mit dem mittelhessischen TTV RE-BAU Gönnern stieg er 1996/97 in die 1. Bundesliga auf. Seit dieser Zeit gehört er zu den besten Tischtennisspielern der Welt.

Seinen Erfolg hat Timo Boll seinem persönlichen Ziehvater, Mentor und Trainer Helmut Hampl zu verdanken, der ihn schon einige Jahre coacht. Der Angriffsspieler ist mittlerweile in China und Japan bekannter als in Deutschland. Zu seinen Hobbys gehören Tauchen, Golf, Lesen und im Internet surfen. Was den Sportler auszeichnet ist seine gleichbleibende Freundlichkeit gegenüber Fans und Journalisten.

Tischtennisnationalspieler Timo Boll sprach mit dem Express am Rande der Bundesligapartie TTV RE-BAU Gönnern gegen Frickenhausen.

Express: Warum wird eigentlich im Fernsehen so wenig über den Tischtennissport berichtet?
Timo Boll: Da darfst Du mich nicht fragen. Wir deutsche Tischtennisspieler haben eigentlich gute Erfolge vorzuweisen. Daran lag es in letzter Zeit nicht. Es hat einfach etwas an der Vermarktung gehapert, oder einfach der gute Wille von Fernsehanstalten, die einfach Tischtennis nicht in ihr Programm aufnehmen möchten. Es ist für alle Sportarten heute schwer, außer für Fußball, sich da zu etablieren. Wir bemühen uns darum, wir versuchen es weiter, und können nur hoffen, das irgendjemand auf uns aufmerksam wird.

Express: Wieviele Stunden trainierst Du in der Woche?
Timo Boll: Ich trainiere zweimal am Tag á zweieinhalb Stunden Tischtennis. Hinzu kommen Übungen der Rückengymnastik, Massagen, Krafttraining und Ausdauerläufe, usw.

Express: Welche sportlichen Ziele verfolgst Du dieses Jahr?
Timo Boll: Zum einen die Europameisterschaften im dänischen Aarhus (die deutsche Mannschaft ist mittlerweile schon im Viertelfinale ausgeschieden; Anm. d. Red.), zum anderen die Weltmeisterschaft in Schanghai. Ich denke, das sind eigentlich die zwei Höhepunkte dieses Jahr.

Express: Wie denkst Du eigentlich über die chinesischen Tischtennissportler, die immer noch einen Vorsprung gegenüber den Europäer vorweisen können?
Timo Boll: Die Chinesen haben eine sehr große Dichte an Topspielern. Ich glaube, mittlerweile sind fünf Spieler alleine aus China unter den Top Ten. Diese Qualität hat kein anderes Land zu bieten. Deshalb sind sie auch noch so führend.

Express: Wer ist derzeit der beste deutsche Tischtennisnachwuchsspieler?
Timo Boll: Patrick Baum hat sich eigentlich auch sehr gut entwickelt. Christian Süss kann man auch noch zu den Nachwuchsspielern dazuzählen. Obwohl er sich ja auch schon ziemlich etabliert hat, und in der Nationalmannschaft spielt. Um unseren Nachwuchs ist es wirklich nicht schlecht bestellt.

Express: Wann ist die deutsche Männernationalmannschaft wieder einmal reif für einen internationalen Titel?
Timo Boll: Wir waren ja letztes Jahr schon Vizeweltmeister. Das war ein riesiger Erfolg. Wir haben uns mit der Nationalmannschaft jetzt bei den Europameisterschaften in Aarhus große Ziele gesteckt. Die Konkurrenz ist natürlich sehr groß. Ein Highlight wird im Jahre 2006 natürlich für uns die Mannschaftsweltmeisterschaft im eigenen Land, wo wir möglichst erfolgreich spielen möchten.

Express: Hast Du Dir schon Gedanken über Deine sportliche Zukunft gemacht, wenn in zwei Jahren Dein inzwischen neu verlängerter Vertrag beim TTV RE-BAU Gönnern ausläuft, ob Du nach China oder Japan als Profi gehen möchtest?
Timo Boll: Im Moment mache ich mir über die Zukunft nach Vertragsende keine Gedanken. Nur soviel kann ich sagen. Ich spiele ja schon in Japan in allen großen Städten, z.B. in Tokio.

Express: Wie steht es eigentlich um die Förderung im Nachwuchsbereich?
Timo Boll: Es gibt ja mittlerweile schon Tischtennisinternate. Ich sage einmal, wenn die jungen Spieler in ein Training von einem Bundesligaverein hereinkommen, dann ist das besser, als in irgend ein Internat zu gehen, so war es bei mir gewesen. Ich wollte nicht in ein Internat hineingehen, aber das muß jeder selbst wissen.

Express: Was würdest Du den Fans mit auf den Weg geben?
Timo Boll: Ich freue mich immer über jeden Zuschauer in der Halle, je mehr desto besser, und ich denke, wir Sportler zeigen eigentlich ganz guten Sport, auch wenn es jetzt in Gönnern in der letzter Zeit nicht so gut gelaufen ist. Wir sind für jeden Zuschauer froh, der für uns klatscht, aber auch für diejenigen, die für den Gegner klatschen. Denn Tischtennis lebt von den Zuschauern, es ist halt ein Hallen- und Zuschauersport.

Express: Vielen Dank für das Gespräch

Interview: Joachim Peukert


Express Online: Thema der Woche | 7. April 2005

Nicht mehr bei Muttern

Unklare Situation für Abraxas
Für die Idee des G-Werks war die Medienwerkstatt Abraxas stets ein integraler Teil der Planung. Nun sieht es aber danach aus, dass nicht genügend Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, um auch die "Abraxen" unterzubringen, die in der Robert-Koch-Straße unter einem Dach mit dem Café Trauma angesiedelt sind.
"Das geht nicht auf mit der Quadratmeterzahl – wir haben schon vor zwei Jahren darauf hingewiesen", erklärt Iris Lachtrup. Die Geschäftsführerin, die vor zehn Jahren zu den Gründungsmitgliedern der Medienwerkstatt gehörte, hofft aber, dass Abraxas "nicht völlig aus der Planung für das G-Werk herauskatapultiert wird" und erkennt an, dass die Stadt sich um eine Lösung bemühe. "Wir sind natürlich auch selbst auf der Suche."
Eine (Not-) Alternative wäre, dass Abraxas wenigstens in räumlicher Nähe zum Afföller untergebracht werden würde. Oder perspektivisch in die Villa neben dem Theater einzieht, falls der MusikerInnenverein das Haus verlässt. Aber diese Eventualität würde wohl erst in mehreren Jahren eintreten.
Eine Container-Lösung kommt nicht in Betracht. Allein schon, weil das teure Equipment, Digitaltechnik und Schnittplätze, dort keine ausreichende Absicherung gegen Einbrüche hätten. Zielsetzung bleibt die Mitwirkung am neuen Kulturzentrum: "Wir finden das Konzept G-Werk gut; die Überschneidungen der Medien, die sich dabei ergeben", so Lachtrup.
Nebenbei bemerkt: Im August 2005 zieht das Medienzentrum (ehemals Stadtbildstelle) in das Softwarecenter. Auf einer Fläche von satten 300 qm werden dort acht Stellen untergebracht. Für Abraxas wäre es denkbar, hier räumlich gleich mituntergebracht zu werden.
Daniel Hajdarovic
Das Café Trauma wird volljährig und zieht von daheim aus. Mit dem G-Werk am Afföller entsteht ein spartenreiches Kulturzentrum. Wird die Medienwerkstatt Abraxas mit von der Partie sein?

Als das Café Trauma vor rund zweieinhalb Jahren seinen 15. Geburtstag feierte, verkündete Bürgermeister Egon Vaupel auf der Party: Sollte die rot-grüne Opposition die Landtagswahl gewinnen, brauche sich das soziokulturelle Zentrum nicht sorgen. Die Stadt würde den angestammten Strahlenbunker (Robert-Koch-Straße 15a) für einen symbolischen Preis erwerben und den Verbleib des Trauma sichern. Doch die Wahlen im Februar 2003 bestätigten Roland Koch und damit auch einen der Soziokultur nicht eben zugeneigten Kurs.

So blieb es bei der Kündigung des Mietvertrags für den landeseigenen Bunker unter Obhut des Finanzministeriums. Doch Stadtpoltik und Trauma-Aktivisten hatten rechtzeitig umgedacht. Herausgekommen ist das im Bau schon weit fortgeschrittene neue Kulturzentrum am Gaswerk. Während man sich also in Wiesbaden überlegen mag, ob der Bunker neben dem Marburger Finanzamt kostenintensiv abgerissen und in die berüchtigte "Grünfläche mit drei Bäumen" umgewandelt oder doch anders genutzt wird, soll mit viel Bohey am 10. Juni das G-Werk eingeweiht werden.

Dass es sicherlich eine große Party wird, ist naheliegend: Aus der Verlegenheit, das Café Trauma irgendwo unterbringen zu müssen, ist schließlich ein spartenübergreifendes Großprojekt der Marburger Sozio- und Alternativkultur geworden. Auf engem Raum am Afföller werden Trauma, german stage service (Theater neben dem Turm) und MusikerInnenverein die ganze Palette von Theater- und Tonkunst, von Party, Film und Vorträgen abdecken. Da sollte die Medienwerkstatt Abraxas mit ihrem praktisch-didaktischen Ansatz nicht fehlen. Ob das wie geplant klappt, steht jedoch in den sprichwörtlichen Sternen (siehe Info-Kasten).

Die genannten Einrichtungen woll nicht nur nebeneinander, sondern immer wieder auch miteinander planen und arbeiten. Gegenseitige Befruchtung erhoffen sich auch die Trauma-Geschäftsführer Uwe Steinberger und Stefan "Nysel" Neubacher, obgleich sie den Strahlenbunker nicht ohne Wehmut verlassen. Denn die einzigartige Trauma-Atmosphäre, der trashige Alternativ-Charme der bisherigen Behausung, lässt sich nicht einfach auf neue Räumlichkeiten übertragen. "Aber mit 18 Jahren zieht man ja meistens von zu Hause aus," sagt Neubacher. "Wobei der zu-Hause-Faktor angesichts des elterlichen Liegenschaftsamtes ... na ja ...". Von Rabeneltern mag niemand sprechen, zumal sich, so Steinberger ergänzend, "das Verhältnis zu den Behörden entspannt hat, als klar war, dass wir ausziehen".

Neubacher stieg 1998 als Geschäftsführer im Trauma ein, während Steinberger 1994 zunächst ehrenamtlich in der Musikgruppe arbeitete. Durch den Umzug dürfte sich aus ihrer Sicht manches verbessern: So gibt es z.B. mehr Platz zum Tanzen im ehemaligen Theatersaal des TNT (der german stage service wird seine Stücke im Neubau aufführen). "Und die Bühne ist fest installiert", erklärt Steinberger. "Früher mussten wir jeweils eine halbe Stunde auf- und abbauen." "Und im Kino wird es durch die höhere Decke weit bessere Luft geben als früher", sagt Neubacher. Die rund 40 Sitzplätze werden im ehemaligen Foyer des TNT untergebracht sein.

Der Neubau am Afföller kostet 380.000 Euro. Den Innenaus- und Umbau der vorhandenen Bauten wird von "Traumatikern" größtenteils ehrenamtlich bewältigt.

Mit dem Umzug wird das volljährige Café Trauma sein "Café" ablegen. Bleibt zu wünschen, dass sich das neue Trauma möglichst viel von dem rebellischen Jugendlichen bewahrt, als der es populär wurde, aber eben auch mal aneckte.

Daniel Hajdarovic



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