Express Online: Thema der Woche | 3. März 2005

Nicht bloß Entertainment

Lokal, national und international: Die 10. Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwoche (5. – 12. März) versammelt renommierte Ensembles am Schwanhof

Für Gefühle kennt er keine Worte. Wie soll er nur der Angebeteten seine Liebe gestehen, wenn da doch ein Knoten in seiner Zunge ist? Und wie soll er Wahrheit und Lüge erkennen, wenn er seinem Gefühl nicht traut?" Fragen über Fragen, die wohl nicht nur für Heranwachsende relevant sind. Der da keine Worte findet ist schließlich kein anderer alsOthello, also nicht eben ein Jugendbuchheld. Aber die grundsätzlichen Probleme, um die es da geht, lassen sich auch 13-Jährigen vermitteln. Und ihren Eltern gleich mit, die in den klassischen Shakespeare-Inszenierungen vielleicht nie so recht verstanden hatten, was den großen Feldherrn eigentlich umtreibt und warum seine Desdemona am Schluss erdrosselt auf dem Boden liegt.

Damit ist auch schon eine Besonderheit der Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwochen in Marburg angesprochen: Kinder und Jugendliche werden ihrem Alter gemäß gefordert, aber auch Erwachsene können bei den niveauvollen Inszenierungen, die nicht bloß unterhalten wollen, manche Anregung mitnehmen und sich den "großen Themen" noch einmal aus einer neuen Perpektive annähern. Die eingangs zitierten Fragen stammen aus dem ausführlichen Programmheft der Jubiläumsausgabe dieses hessenweit einmaligen Festivals. Zum zehnten Mal schon wird vom 5. Bis 12. März das Theater am Schwanhof zum Schauplatz eines Querschnitts dessen, was in der Kinder- und Jugendtheaterszene im besten Sinne des Wortes angesagt ist.

Wenn es nicht zu sehr dem Wortschatz der Konkurrenzgesellschaft entsprechen würde, ließe sich auch von einer Leistungsschau sprechen. So hat Festivalleiter Jürgen Sachs erstmals auch das legendäre Berliner Grips Theater gewinnen können, das am 5. März Lutz Hübners "Nellie Goodbye" aufführt. Das Stück erzählt die Geschichte einer Rockband, deren Sängerin Nellie mit einem Gehirntumor zusammenbricht. Plötzlich erscheint alles andere unwichtig – oder sollte man gerade jetzt mit der Musik weitermachen?

Die erwähnte Othello-Inszenierung stammt übrigens vom Theaterhaus Ensemble Frankfurt, das außerdem mit dem Theater Gruene Sosse vertreten ist. Ferner treten Theatergruppen aus Saarbrücken, Halle, Mannheim, Kassel, München, Köln, Erfurt und Hamburg / Hannover sowie Grasellenbach auf. Neben dieser Beteiligung aus ganz Deutschland gibt es noch Beiträge von ganz fern und ganz nah. Naheliegend ist das das Hessische Landesteater als Gastgeber sich mit einer Produktion beteiligt: nämlich "Moby Dick", der am 9. März zu sehen sein wird. Aus der Ferne wiederum kommt das israelische Arab-Hebrew Theatre of Jaffa. Das einzige Theater in Israel, in dem Araber und Juden künstlerisch zusammenarbeiten, führt die Geschichte zweier streitender Brüder auf, die erst durch ihre Versöhnung gemeinsam Erfolg haben: "Ach Ach Boom Traachhh" am 6. März.

Aus dem Ausland bereichern zudem das belgische AGORA-Theater und die niederländischen "Merkx & Dansers" die Kinder- und Jugendtheaterwoche, für die neben dem Landestheater auch das Kulturamt der Stadt Marburg und das Staatliche Schulamt Marburg-Biedenkopf als Veranstalter fungieren.

Übertitelt ist das Festival mit "Theater sehen – Theater spielen". Letzteres verweist auf die zahlreichen, allerdings bereits ausgebuchten Workshops, in denen Theaterarbeit praktisch erfahrbar gemacht wird. Natürlich wird die zum großen Teil aus Kindern und Jugendlichen bestehende Jury auch im Jubiläumsjahr einen Preisträger ermitteln. Jürgen Bandte vom Freundeskreis Hessisches Landestheater betont: "Es ist einer der wenigen Preise im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters, der auch mit einem Geldbetrag, nämlich 1500 Euro ausgelobt wird. Für viele Theatermacher bedeutet dieser Betrag, dass die Kosten einer neuen Produktion gesichert sind."

Das Programm der Kinder- und Jugendtheaterwoche liegt vielerorts in Marburg aus, kann aber auch im Internet unter www.hlth.de eingesehen werden. Telefonische Kartenreservierung: 06421/25608.

Daniel Hajdarovic


Express Online: Thema der Woche | 3. März 2005

Klotzen oder Kleckern?

Neubebauung Berliner Platz: Die Koalition will für 50 Millionen Euro die "große Lösung" realisieren. Die SPD plädiert dagegen für eine Bauweise, bei der nachträglich Abschnitte ergänzt werden können

Das Stadthaus am Berliner Platz stammt aus den 60er Jahren. Und das sieht man auch. Da eine Sanierung sehr teuer gewesen wäre und den für Gießens Stadtbild so wichtigen Zentralplatz auch nicht wirklich schöner gemacht hätte, gab und gibt es einen breiten Konsens in der Gießener Stadtpolitik zumindest darüber, dass ein Neubau her muss. Schließlich sollen in diesem auch die Gießener Ämter zentriert werden, die seit dem Abriss des Behördenhochhauses, das ebenfalls am Berliner Platz stand, in alle Winde zerstreut sind. Und damit endet denn auch die Harmonie. Nach Abschluss des Architektenwettbewerbs (wir vermeldeten), treten die Fronten deutlich zutage.

Der Konflikt lässt sich verkürzt als einer zwischen "großer Lösung" und "kleiner Lösung" umschreiben. Zur erstgenannten Kategorie gehört ganz zweifellos der von der Jury zum Sieger gekürte Entwurf des Gießener Architekturbüros Rohrbach und Schmees. Gegen 43 Wettbewerbsbeiträge aus ganz Deutschland haben sich die Lokalmatadoren durchgesetzt mit ihrer Vision von einem siebenstöckigen Rathaus mit einem Sitzungssaal für das Stadtparlament, einem Bürgerbüro, der Stadtbibliothek und einer Konzerthalle – sozusagen ein "Kulturrathaus". Gleich daneben soll ein schmucker Verwaltungsbau liegen. Soweit die positive Seite. Das einzige Problem: die Kosten könnten durchaus Tuchfühlung mit der 50-Millionen-Euro-Marke bekommen.

Nun mahnt die Gießener SPD, "die Stadt nicht in ein finanzielles Abenteuer ersten Ranges zu stürzen". Die Sozialdemokraten bekunden dabei durchaus Sympathie für die Pläne von Rohrbach und Schmees, bringen gegen diese aber fehlende Gelder für Kinder- und Jugendbetreuung sowie bei der Schaffung von Arbeitsplätzen in Stellung. Fraktionsvorsitzende Dietlind Grabe-Bolz moniert insbesondere die großzügige Einbeziehung der genannten kulturellen Einrichtungen: "Vor allem, da wir derzeit Räumlichkeiten für alle diese Einrichtungen haben."

Sehr angetan von dem Entwurf sind gleichwohl die Christdemokraten, allen voran der hauptamtliche Magistrat mit Oberbürgermeister Heinz-Peter Haumann, Kämmerer Volker Kölb und Baudezernent Thomas Rausch, die hier die Chance auf eine angemessene Form der "Stadtreperatur" sehen. Außer von der Koalition aus CDU, FWG und FDP findet dies im Stadtparlament auch die Zustimmung der Grünen.

Die Befürworter der "großen Lösung" können auch damit argumentieren, dass die Kongresshalle, die dem zu bebauenden Areal direkt gegenüber liegt, mittlerweile ins Alter gekommen ist. Sollte es hier eines Tages bauliche Veränderungen geben, wäre die in der Kongresshalle untergebrachte Stadtbücherei bereits in die neuen Räumlichkeiten umgesiedelt und also nicht mehr im Weg. Das ist freilich noch Zukunftsmusik.

Mit der Zukunft argumentiert auch der SPD-Vorsitzende Gerhard Merz: "Die Bebauung am Berliner Platz ist sowohl städtebaulich als auch finanziell eine Entscheidung, die jahrzehntelange Folgen haben wird."

Ähnlich argumentieren auch PDS und Bürgerliste Gießen. Die Befürworter einer "kleineren" Alternativlösung (für ca. 26 Millionen Euro) bringen in Anschlag, dass eine abschnittsweise Bebauung möglich ist. Bei dieser Vorgehensweise wäre der kleinere Neubau so konzipiert, dass zum Beispiel im Falle eines Umbaus der Kongresshalle das Gebäude nachträglich erweitert werden könnte.

Die Koalition hofft derweil, dass der Auftrag für das 50-Millionen-Pojekt bis zum Sommer vergeben werden könnte. Die Schulden der Staat Gießen liegen übrigens bei mehr als 160 Millionen Euro.

Daniel Hajdarovic



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