Express Online: Editorial | 3. November 2005

Pünktlich

Perfektes Timing. Pünktlich November. Pünktlich morgendlicher Dauerregen, kurze Tage hinterm Grauschleier, frühe Abende und längere Nächte. Ruhige Zeiten.

Bevor der ultravitale Oktober seiner Zwangseinweisung ins Johannes-Heesters-Heim für unkaputtbare Strahlemänner nachkam, schüttelte er noch einen Joker aus dem fadenscheinigen Ärmel. Halloween. Mittlerweile in hiesigen Breiten halbwegs heimisch und bei jung und alt fixer Termin für gesellig Geartetes. Aber da ist die Sache mit dem Kürbis. Denn was wäre das Fest ohne die Zierde mindestens eines aus schaurig flackernden Augenlöchern schiefmäulig leuchtenden Gurkenartigen. Realer Horror. Man begebe sich am Nachmittag des 31.10. auf die Suche nach einem hohlen Hauptdarsteller.

Im allgemeinen Kürbis-Vakuum lungert hier noch eine übriggebliebene mürrische Adipositas-Gruppe, nur mit Kran und Kleinlaster zu bewegen; fläzt sich dort ein wenig warziges Zwergvolk, dessen Aushöhlung mikrochirurgisches Spezialwerkzeug verlangt, zu allem Überfluss noch grün-orange Fehlfarben; wir hatten schließlich ein bisschen Glück und konnten – dank einer außerplanmäßig dicken Brieftasche – den Spross einer noblen japanischen Gemüsefamilie zwecks Umarbeitung nach Hause tragen.

Da steht er nun in mittelgroßer Pracht auf der Fensterbank und lugt mit dreieckigem Blick in den morgendlichen Dauerregen, täglichen Grauschleier. Wobei sein dezentes Müffeln nicht nur novembergemäßes Memento mori ist, sondern milde Mahnung zum Pünktlichsein. Spätestens beim diesjährigen Weihnachtsbaumkauf.

Michael Arlt



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