Express Online: Editorial | 17. März 2005

Charly

Es ehrt uns natürlich, dass ein gemeiner Mittelhesse der Gnade teilhaftig wird, den kürzesten Weg zum Ruhm einschlagen zu dürfen (vielleicht auch: den Weg zum kürzesten Ruhm). Die Rede ist von Charly, der am Montag in das Big-Brother-Dorf einzog. Das Vorbild des Marburgers ist kein Geringerer als Zlatko. Ältere Leserinnen und Leser erinnern sich an jenen virilen Zeitgenossen, dem sein Mithäftling Jürgen verklickerte, dass es sich bei Shakespeare nicht um einen Gerstensaft handelt.

Frau und Tochter wird Charly natürlich vermissen, wie auch seinen liebsten Programmpunkt im TV: die "Sendung mit der Maus". Dass der 41-Jährige nun selbst zu einem Stück Fernsehen wird, dürfte ihm Trost sein; vielleicht geht ja auch der Traum von der eigenen "Szene-Kneipe" in Erfüllung. Das kann aber dauern: RTL II droht schließlich damit, "die erste Real-Life-Soap ohne Ende" – und eben ein ganzes Dorf – aus dem Boden gestampft zu haben.

Liegt darin zugleich nicht auch eine Hoffnung? Wie wäre es etwa, wenn wir ganz bestimmte Personen in das ewige Dorf hineinwählen könnten? Irgendwann würden dann mangels Quote die Kameras abgestellt, ohne dass die Insassen davon erführen. Und der Frieden zöge ein über Mittelhessen. Das zielt nicht auf den sicherlich harmlosen Maler und Tapezierer Charly – eher schon auf regionale Akteure wie den CDU-Landtagsschreck Hans-Jürgen Irmer aus Wetzlar, dessen rechtes Gefasel sich dann nur noch Big-Brother-Konsumenten anhören müssten. Dies wären dann mit Kant aber eine wirklich selbstverschuldete Unmündigkeit.

Daniel Hajdarovic



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