Der Beduine kennt 27 Dutzend Bezeichnungen für "Sand". Jedem Eskimo fallen mühelos etwa 324 unterschiedliche Begriffe für "Schnee" ein. Kein Wunder. Denn Sprache bildet rund um den Globus Lebenswirklichkeiten ab und macht sich nützlich im Kampf ums Dasein. Aber hierzulande? "Wie sieht's denn draußen aus?" "Regen." "Wie, Regen?" "Na, Regen halt!" Himmel hilf. Ich muss da gleich raus. Ist es ein ausgiebiger Dauerströmer, der stets dann erscheint, wenn der Paraplü gerade seinen freien Tag hat? Ein unentschlossener Hüpfnässer, der von oben und unten zugleich spritzt? Der nebulöse Waberfeuchtling, dem selbst die intelligenteste Funktionsfaser kein Paroli bieten kann? Ein kurzer frühmorgendlicher Wolkenrülps? Ein harmloser Platzinger? Ein Giesling, Kannenplörr, Beschlagerer, Sintfließer, Kugeltropf? Nein: "Regen, halt." Äußerst unbefriedigend.
Alle Welt sucht wahlweise Un- oder schönste Wörter. Dabei bräuchten wir viel eher solide Wortfindungskommissionen. Es gibt so viel begrifflich zu machen. Wie heißt denn Nachbarschaft, die ihre Supermarkt-Stereoanlage vorzugsweise werktagnachts zwischen zwei und vier zur Rückkopplung zwingt? Was bezeichnet den gereckten Blecharsch von Gehwegzuparkern in seinen vielfältigen Erscheinungsformen? Oder diejenigen notorischer Kleinstbaustellen? Das fragt sich, während ihm die schlechtbeschriebene Lebenswirklichkeit mal wieder eine Nase dreht,
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