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Thema der Woche | 17. März 2016

"Da fing mein Leben eigentlich an"

Kamerapreisträger Jürgen Jürges im Interview

Express: Herr Jürges, bevor Sie Fotografie studiert haben, haben Sie eine Ausbildung zum Ingenieur in der Luftfahrtbranche begonnen. Warum haben Sie sich umentschieden?

Jürges: Zu der Ausbildung gehörte erst einmal ein praktischer Teil und dann hätte ich das Ingenieursstudium anfangen müssen – anfangen sollen. Aber Ich habe nach einem halben Jahr gemerkt, dass das einfach nichts für mich ist. Ich war zwar gut in dem praktischen Teil, aber ich hatte keine Lust dazu und ich konnte mir mein Leben so nicht vorstellen. Irgendwann habe ich gesehen, dass man sein Hobby – ich habe damals schon hobbymäßig fotografiert – auch zum Beruf machen kann. Ich habe mich an einer Fotoschule in Berlin beworben und bin auch angenommen worden.

Express: Gab es ein bestimmtes Erlebnis bei dem Ihnen klar wurde, dass Sie fotografieren oder filmen möchten?

Jürges: Ich habe mir natürlich sehr viele Fotos angeschaut. Damals, in den 1950er und 60er Jahren, war die Fotografie ein sehr bedeutendes Medium der Information, was heute das Fernsehen übernommen hat. Es gab Zeitschriften wie Paris Match und das Life Magazine, die ganz hervorragende Fotoserien und Beiträge brachten und es waren hervorragende Fotografen dabei. Ich lebte damals in Bremen, dort war alles so beengend und klein. Die Fotografie hat meinen Blick geweitet. Das war ein tolles Erlebnis und als ich die ersten Tage in Berlin an der Fotoschule war, da wusste ich: Das will ich machen. Da fing mein Leben eigentlich an. Nach dem Fotostudium bin ich dann sehr bald zum bewegten Bild gewechselt.

Express: Liebe auf den ersten Blick quasi ...

Jürges: Ja, genau!

Express: Sie sind seit über fünfzig Jahren im Filmgeschäft. In dieser Zeit hat sich die Technik extrem weiterentwickelt. Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

Jürges: Das stimmt, die Technik hat sich sehr entwickelt. Die Arbeit hat sich sehr verändert. Aber ich habe in den letzten Tagen viele meiner alten Filme wieder gesehen und muss sagen: Ich glaube, dass die Konzentration auf das Wesentliche früher besser war als heute. Es wird sich heute sehr auf die Technik verlassen, es werden sehr viele technische Effekt benutzt, die aber oft gar nicht nötig sind, techn. Spielereien quasi.

Express: Sie haben an über hundert Filmen, mit vielen Regisseuren gearbeitet. Gab es eine Zusammenarbeit, die besonders gut funktioniert hat?

Jürges: Ja, gab es schon. Ich habe sehr gerne mit Tankred Dorst oder auch mit Jürgen Flimm zusammengearbeitet, generell mit Theaterregisseuren, weil sie offener und freier an Dinge herangehen und diese eher in Frage stellen. Jedenfalls war das in der damaligen Zeit so.Ich weiß nicht, ob Theaterregisseureheute in derselben Maschinerie stecken, wie ihre Kollegen beim Film. Auch mit Wolfgang Becker habe ich sehr gerne gearbeitet und arbeite ich gerne zusammen. Es ist für mich sehr wichtig, dass die menschliche Komponente stimmt.

Express: Sie haben nicht nur bei großen Filmprojekten mitgearbeitet, sondern machen auch jetzt immer noch bei kleineren Projekten mit ...

Jürges: Ja, sehr gerne sogar. Davon wird man zwar nicht reich, aber es macht einfach Spaß. Man kann sich mehr einbringen und es sind Lösungen gefragt, die gut aussehen, aber trotzdem bezahlbar und machbar sind. Mein kleinster Film war "Vier Fenster". Der Regisseur hatte, glaube ich, zunächst 70.000 Euro, später kam ein bisschen mehr dazu. Ich habe den Film auf Mini DV gedreht, wegen des Geldes und anschließend haben wir ihn auf 35 aufgeblasen und er sieht gut aus. Das ist ein sehr, sehr schöner Film geworden. Außerdem macht es Spaß, weilman gezwungen ist, anders an das Projekt ranzugehen. Wenn man einen großen Film hat, wie z.B. John Rabe,da ist ein sehr grosser Apparat um dich herum und allein die Parkfläche, die für die LKWs und die Wohnwägen draufgeht, schränkt die Beweglichkeit ein. Man wird einfach unflexibler.

Express: Ich hab gelesen, dass für Sie allein das Drehbuch und die Geschichte ausschlaggebend sind, um zu entscheiden, ob Sie bei einem Projekt mitmachen. Was ist für Sie ein gutes Drehbuch?

Jürges: Das ist eine gute Frage.Man liest ein Buch und entweder hat man dazu gleich einen Bezug oder nicht. Ich kann kein Rezept für ein gutes Drehbuch geben, merke aber sofort, ob es mir gefällt. Es ist ganz klar eine subjektive Entscheidung. Für mich ist ein Film gut, der mich in irgendeiner Weise anspricht.

Express: Sie entscheiden also aus dem Bauchgefühl?

Jürges: Absolut.

Express: Sie haben sehr unterschiedliche Filme gedreht. Würden Sie sagen, dass Sie eine bestimmte Handschrift haben?

Jürges: Eine bestimmte Handschrift bedeutet für mich in jedem Fall ein gutes Licht. Allerdings nicht immer dasselbe natürlich. Für jede Geschichte und für die Stimmung in dem Film das entsprechende. Ich hoffe jedenfalls, dass ich das einigermaßen hinkriege.Eine Handschrift, das heißt ja eigentlich, dass die Erfahrungin Routine umgeschlagen ist und das ist nicht gut, finde ich.

Express: Dass heißt, sie versuchen eher, eine bestimmte Handschrift zu vermeiden?

Jürges: Genau. Ich versuche mit meinen Bilder eine Geschichte zu erzählen, verstehe mich als Zulieferer für die Regie.

Express: Als Zulieferer für die Regie in einem Beruf mit sehr viel Technik:Wie viel ihrer Arbeit ist Handwerk und wieviel ist Kunst?

Jürges: Da ist der Übergang fließend. Man kann ohne die Technik keine Kameraarbeit machen und man kann auch nicht ohne Sensibilität einen guten Film drehen. Mittlerweile gebe ich allerdings auch viel Technik ab, weil ich Mitarbeiter habe, aufdie ich mich absolut verlassen kann.

Express: Stehen Sie selbst überhaupt noch oft hinter der Kamera oder machen das ihre Mitarbeiter, wie das im amerikanischen Filmbusiness häufig ist?

Jürges: Ja, stehe ich. Für "Dau", diesen russischen Film, habe ich drei Jahre lang mit der Schulterkamera gedreht. Das sind ca. 15 Kilo, die diese Kameras wiegen, aber auch vom Dollie oder Stativ operate ich überwiegend selbst.

Express: Also auch ein sportlicher Beruf eigentlich.

Jürges: Je nachdem was gefordert ist. Der Dreh von "Dau" war einfach nicht anders zu bewerkstelligen. In meinem nächsten Film, der ab April gedreht wird, mache ich zum Beispiel den Studio-Teil. Ein statisches Framing, schon mit Fahrten, aber sehr ruhig alles. Denn es geht um eine Geisel, die wochenlang in einer Zelle lebt – das ist dann wieder ein Stil, der total anders ist.

Express: Also wieder: Keine Handschrift.

Jürges: Genau.

Interview: Jennifer Loll

Thema der Woche | 17. März 2016

Signal gegen Rechts

Lichterkette für ein buntes Gießen

Der Rathausplatz war ein einziges Lichtermeer gegen Rechts: Mehr als 500 Menschen haben am vergangenen Donnerstag mit Kerzen und Teelichtern vor dem Rathaus für ein buntes Gießen und gegen das Erstarken der Rechts­populismus demonstriert.

Isabell Espanion, eine Lehramtsstudentin aus Gießen, hatte die Aktion gemein­sam mit drei Freundinnen organisiert und ist von deren Ablauf absolut be­geis­tert. "Es waren viele Menschen da und alles verlief friedlich und ohne Ärger mit der Polizei", berichtet Espanion. Die eigens von den Organisatorinnen gestellten Ordner konnten selbst gemütlich an der Veranstaltung teilnehmen, weil es nichts für sie zu tun gab. Das freut die vier Studentinnen ungemein.

Die AfD hatte bei der Wahl des Stadtparlaments in Gießen fast 13 Prozent erreicht, bei der Kreistagswahl waren es sogar mehr als 14 Prozent. Betroffen über das Abschneiden der rechtspopulistischen Partei hatten Isabell Espanion und ihre Freundinnen die Gruppe "Licherkette gegen Rechts" auf Facebook erstellt. Quasi über Nacht bekamen sie mehr als 700 Zusagen für ihre Aktion. Die vier Freundinnen studieren in Gießen und sind zwischen 23 und 27 Jahre alt. Sie finden, dass sie eine humanistische Verantwortung haben, auch gegenüber späteren Generationen. Rechtspopulistische Parteien lehnen die Studentinnen Überzeugung ab, vor allem auch in Anbetracht der deutschen Geschichte.

Besonders wichtig war es den Organisatorinnen, bei ihrer Aktion partei­un­ab­hängig zu bleiben. "Der Aufstand kommt von unten, von den Bürgern und soll nicht durch die Parteien organisiert werden", erklärt Espanion. Die Studentinnen fühlen sich keiner Partei zugehörig, trotzdem sind sie sich in einer Sache einig: "Gießen soll bunt bleiben."

Isabell und ihren Mitstreiterinnen ist wichtig zu zeigen, dass sie klar gegen eine Partei sind, die Menschen in Not nicht helfen möchte. "Gießen ist eine Erstaufnahmestätte für Flüchtlinge in Hessen und das soll auch so bleiben. Das Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher Nationen gibt einem sehr viel", sagte Espanion.

Dass ihre Aktion so erfolgreich verlaufen würde, hatten die jungen Frauen nicht erwartet. Eine einmaliger Protest soll es freilich nicht sein:"Es gibt viele Gelegenheiten, zu denen sich weitere Aktionen anbieten würden", sagt Espanion. "Die Eröffnung des Stadtparlaments durch den Ältesten wäre zum Beispiel so eine, das ist nämlich dieses Jahr ein Mitglied der AfD", berichtet sie weiter. Konkrete Pläne für weitere Aktionen haben die Studentinnen aber noch nicht. Sie hoffen vor allem, dass sie vielen anderen Mut machen konnten, aktiv zu werden.

Jennifer Loll

Tipp des Tages

Der Hobbit – Smaugs Einöde

Foto: Sat.1
Auf Hobbit Bilbo und seine kleinwüchsigen Begleiter warten nach dem ersten Teil ihrer aufregenden Reise neue Abenteuer, die die Gefährten auf eine harte Probe stellen werden: Auf der Flucht vor den Orks läuft die Gruppe geradewegs in die Arme des Hautwechslers Beorn ...
Sa 30.1. | 20.15 Uhr | TV | Sat.1
 
Tipp der Woche

Guardians of the Galaxy

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Peter "Star-Lord" Quill ist ein Weltraumbandit. Er tut sich mit den Kopfgeldjägern Rocket und Groot sowie der rätselhaften Gamora und dem rachgierigen Drax zusammen, um das Universum zu beschützen.
Do 11.2. | 20.15 Uhr | TV | Vox
 
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