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Thema der Woche | 22. Mai 2014

Eliten am rechten Rand

Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger über Rechtspopulismus vor der Europawahl – Foto: Wegst

Bisher kaum öffentlich wahrgenommen, hat sich eine neue rechts­konser­va­tive/-populistische bzw. nationalliberale Jugendorganisation gegründet: Die "Junge Alternative für Deutschland" (JA) – die Parteijugend der "Alternative für Deutschland" (AfD). Sie hat sich bereits kurz nach der Gründung der AfD Anfang 2013 als Jugendverband konstituiert, und zwar im Juni 2013 in Darmstadt; anwesend waren etwa 60 Teilnehmer.

Die JA hat mittlerweile acht Landesverbände, zahlreiche Bezirks- und Kreis­verbände und derzeit etwa 350 Mitglieder; in Freiburg gibt es die erste Hochschulgruppe. Die weitere Entwicklung – Ausdehnung, Mitgliederwerbung, programmatische Ausrichtung – und ein engeres formelleres Zusammengehen mit der AfD werden derzeit vorangetrieben.

Damit ist ein neuer – noch kleiner – partei- und jugendpolitischer Akteur "auf dem Markt", der ideologisch-programmatisch im "rechtskonservativen – nationalliberalen – rechtspopulistischen Lager" angesiedelt ist. Solche Versuche hat es in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder gegeben; und es ist erneut ein Versuch, im ideologischen Bereich bzw. der Grauzone zwischen "konservativ" und "rechtsextrem" Jugendliche und junge Erwach­sene anzusprechen, zu gewinnen und zu organisieren. Das hatten u. a. die rechts­extreme NPD mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und die Republikaner mit den "Jungen Republikanern" auch schon vergeblich versucht. Die JA ist nun ein neuer mit der AfD verbundener Versuch, und es scheint, dass sich die AfD – bei allen internen Auseinandersetzungen und vorläufiger Prognose im Frühjahr 2014 – um die bzw. über der 5%-Quote etablieren kann; und mit ihr auch die JA.

Die JA blickt dabei auf das Wählerpotential und die Orientierungen in der jungen Generation, wie sie sich bei der Bundestagswahl 2013 gezeigt haben; hier wählten 6% der 18- bis 29-Jährigen und 5% der 30- bis 40-Jährigen die AfD.

Die JA hat wie die AfD vor allem eine eurokritische Position – Auflösung des Euroraumes – und setzt auf eine neue Währungsordnung sowie einen Nord-Euro (der wirtschaftsstarken EU-Länder).

Programmatisch zeigt sich vor allem ein wirtschaftlicher Liberalismus sowie ein kultureller und teilweise chauvinistischer Populismus, der mit Verlust- und Bedrohungsängsten der nationalen und kulturellen (nationalen) Identität verbunden ist. Es ist immer das gleiche Muster der rechten Krisenerzählung: Eine Minderheit wird als feindliche Gruppe dargestellt und mit einem – apokalyptischen – Bedrohungsszenario versehen. Die Mehrheit wird zum Opfer der Minderheit(en) erklärt und dagegen müsse man sich wehren, vor ihnen müsse man sich schützen.

Feindbilder sind u. a. "die" Muslime, Flüchtlinge, Hartz-IV-Empfänger, Lesben und Schwule ("Homolobby"), Feministinnen, dann europapolitisch ein Nord-Süd-Chauvinismus ("Faulheit der Südländer"). Die AfD und JA verachten und diskriminieren mit ihrem extremen Neoliberalismus Arme, Schwache und Flüchtlinge auf nationaler wie auf internationaler Ebene.

Gefordert wird eine strikte Quotierung in der Einwanderungspolitik. Die JA setzt – rechts vom Mainstream der AfD – Akzente in der Bekämpfung des "Feminismus"; sie ist gegen den von ihr so bezeichneten "Genderwahn" ("Genderismus") und die "Gleichmacherei" bzw. die Frauenquote.

Beim Thema innere Sicherheit wird in der Strafverfolgung auf die schnelle, zeitnahe Bestrafung gesetzt und eine Abkehr von einer unterstellten "Kuschelpädagogik" gefordert. Die AfD und JA wird in rechtskonservativen/-intellektuellen Zeitschriften regelrecht beworben; so wird nachhaltig z. B. in "Junge Freiheit" positiv über die AfD berichtet und die Kommentare sind stets wohlwollend; weiter hat der Vorsitzende der JA auch schon mal ein Interview in der "Blauen Narzisse" (ein Blatt aus Chemnitz am "rechten Rand") gegeben.

Die Stichworte "rechtskonservativ – nationalliberal – rechtspopulistisch" oder auch "rechte Mitte" bzw. "bürgerliche Rechte" zeigen die Versuche, die AfD und JA "rechts von den Unionsparteien" oder auch als "Scharnier" und "Brücke" zwischen wirtschaftsliberal,rechtskonservativ und -populistisch einzuordnen.

Es ist – im Gegensatz zu den "alten" rechtsextremen Parteien – ein Eliten­projekt. Die Akteure kommen aus Gruppen und Organisationen der politischen Eliten, mit denen sie unzufrieden sind.

Die JA versteht sich als ein "neues" Politik- und Bildungsangebot vor allem an die akademische junge Generation; diese soll für Politik interessiert und gewonnen werden. Verwoben ist die JA – so z. B. bei Vorstandmitgliedern – mit dem studentischen Verbindungsmilieu. Die Zahl der BWL-Studierenden wird bei den Mitgliedern als "recht hoch" angegeben. Damit steht die JA in der Tradition des elitären Denkens bzw. der Elitenreproduktion, das angeblich eine neue politische – auch parteipolitische – Heimat sucht. AfD und JA können auch als parteipolitische Ausprägung eines sich formierenden Milieus verstanden werden, das sich aus rechtsintellektuellem Denken, Rechtspopulismus und Marktradikalismus speist.

Ob es in der bundesdeutschen Gesellschaft und der jungen Generation solch eine Lücke für eine Jugendorganisation "neurechten Typs" gibt und ob diese von der JA gefüllt wird bzw. gefüllt werden kann, bleibt abzuwarten; ebenso deren weitere ideologische Entwicklung. Aktuell zeigen sich Radikalisierungs­phänomene: im März hatte die JA des Landesverbandes Nordrhein-Westphalen in Köln den Gastredner Nigel Farage von der ultrarechten britischen United Kingdom Independence Party (UKIP) eingeladen.

Benno Hafeneger
Benno Hafeneger hat Psychologie und Pädagogik studiert. Seit 1994 ist er Professor (em.) für Erziehungswissenschaft an der Philipps-Universität mit dem Schwerpunkt "Außerschulische Jugendbildung"

Benno Hafeneger

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