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Thema der Woche | 21. März 2013

Spuren von verlorenen Schätzen

Der Apoll von Belvedere, den sich das Städel ausleihen möchte
Foto: Coordes

Bis nach Istanbul, Paris, Rom, London oder Athen muss der Kunstliebhaber fahren, um die Statuen im Original zu bewundern: Die berühmte Laokoon-Gruppe aus dem Belvedere des Vatikan, die Athenagruppe des Pergamonaltars oder die Nike von Samothrake, ein geflügeltes Wesen ohne Kopf und Arme, das heute im Louvre zu sehen ist. In Marburg stehen ihre Gips-Abgüsse im Ernst-von-Hülsen-Haus. Mit 600 Gipsfiguren besitzt die Philipps-Universität Hessens größte und beste Abgusssammlung. "Dafür müsste man sonst viele Museen besuchen", sagt Archäologieprofessorin Rita Amedick. Und in vielen Fällen handelt es sich auch um die "letzten Spuren von verlorenen Schätzen", so die Expertin. Manche Originale wurden zerstört. Andere sind heute so verwittert, dass die Marburger Abgüsse besser erhalten sind.

Heute dient die Sammlung Studierenden dazu, antike Kunst zu begreifen und das vergleichende Sehen zu trainieren. "Um Skulpturen würdigen zu können, muss man sie im Raum erleben", erklärt Amedick. Und die Hochschüler helfen auch dabei, dass Bürger und Schüler die wertvollen Stücke trotz der Renovierung des Hülsen-Hauses besichtigen können. Einmal wöchentlich öffnet die Sammlung für zwei Stunden ihre Pforten. Zu sehen sind Gipsfiguren aus der Zeit vom siebten Jahrhundert vor Christus bis zum dritten Jahrhundert nach Christus.

Die Marburger Philipps-Universität beherbergt Hessens größte Abgusssammlung – Foto: Coordes

Besonders wertvoll sind die Giebelskulpturen des Parthenon, die heute in London und Athen zu besichtigen sind. Den Apoll von Belvedere wünscht sich das Städel als Leihgabe. Fasziniert sind die Besucher von den Abgüssen der Venus von Milo, den Tyrannenmördern und dem Diskuswerfer von Myron, aber auch von alltäglicheren Figuren wie dem Dornauszieher oder der trunkenen Alten. "Wir haben hier das 'Who is Who' der archaischen Plastik", urteilt die aus Griechenland stammende Mitarbeiterin Zoi Kotitsa.

Dass die Universität heute eine so große Abgusssammlung zu bieten hat, verdankt sie einer Gruppe von Professoren. Vor knapp 150 Jahren befanden diese, dass die Stadt zwar reich an Baudenkmälern, indes arm an Skulpturen und Anschauung antiker Kunst sei. Um das zu ändern, spendeten sie ihre Einnahmen aus Vorträgen.

Kustodin Zoi Kotitsa vor dem Diskuswerfer von Myron – Foto: Coordes

Doch während die Abgusssammlungen andernorts heute wieder an Bedeutung gewinnen, fürchten die Marburger Archäologen, dass sie nach dem Umbau einen Teil ihrer Räume abgeben müssen. Dabei wurden die Säle vor rund 90 Jahren eigens für die Abgusssammlung konzipiert. Durch die hoch angesetzten Fenster an der Nordseite des Gebäudes genießen die Skulpturen perfektes Atelierlicht. Doch schon heute stehen die Abgüsse dicht gedrängt, weil die Archäologen bereits in früheren Jahren Räume abgeben mussten. Noch enger zusammenzurücken, sei nicht möglich, sagt Institutsdirektor Winfried Held: "Das wäre dann ein Gipslager, aber keine Sammlung mehr." Und im hochwassergefährdeten Keller könnten die Skulpturen auf keinen Fall gelagert werden.

Das Problem: Mit den Archäologen, den Kunsthistorikern, dem Bildarchiv Foto Marburg, dem Universitätsmuseum und den Musikwissenschaftlern ist das Hülsenhaus eigentlich völlig überfüllt. Uni-Präsidentin Katharina Krause verspricht jedoch, dass die Gesamtfläche für die Abgüsse nicht verkleinert werden solle. "Es ist aber damit zu rechnen, dass keiner hundertprozentig zufrieden sein wird", sagt die Kunsthistorikerin.

Info
Die Abgusssammlung ist jeden Dienstag von 12 bis 14 Uhr im Hülsenhaus (über den Eingang an der Gartenseite) geöffnet. Seit Februar zeigt das Archäologische Seminar eine Auswahl von Originalen – antike Gefäße, Statuetten, Skulpturen und Bronzen – in der nahegelegenen Biegenstraße 9.

Gesa Coordes

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