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Thema der Woche | 20. September 2012

Blutige Schlacht um schmale Brücke

Amöneburger feiern einen 250 Jahre alten Friedensschluss aus dem Siebenjährigen Krieg – Foto: Coordes

Amöneburg. Die Erde um die idyllische Steinbrücke vor Amöneburg (Kreis Marburg-Biedenkopf) muss blutgetränkt gewesen sein. 527 Soldaten starben auf den Wiesen und Hängen am Fuß des Basaltkegels, 1363 Männer wurden verletzt. Bis heute stecken Kanonenkugeln im Gebälk des nahegelegenen Wirtshauses. Vor 250 Jahren tobte hier eine der Entscheidungsschlachten des Siebenjährigen Krieges. Vom 21. bis zum 23. September feiern die Amöneburger aber nicht die blutigen Kämpfe, sondern den Frieden, der im Brücker Wirtshaus geschlossen wurde.

Dass die mehr als 700 Jahre alte Brücke einst so heiß umkämpft war, kann man sich heute kaum vorstellen. Sie ist so schmal, dass sich Autos nicht begegnen können. Doch vor 250 Jahren lag die Brücke an der zentralen Nord-Süd-Verbindung zwischen der Schweiz und Hamburg. Weit und breit gab es keine weitere Möglichkeit, die Ohm mit schweren Wagen zu überqueren. "Deswegen war die Brücke so wichtig", erklärt Winfried Kaul. Der Sozialwissenschaftler und Vorsitzende des Heimat- und Verkehrsvereins organisiert die Festlichkeiten und hat sich mit Geschichte der Schlacht beschäftigt.

Im September 1762 standen sich französische Truppen und die mit den Preußen verbündeten Westarmeen – Engländer, Hannoveraner, Braunschweiger und Hessen – an der Brücke gegenüber. Die Franzosen waren bereits durch Gießen gezogen und hatten ihre Lager auf den Feldern des Ebsdorfergrundes aufgeschlagen. Sie wollten eigentlich bis Hannover durchmarschieren. Doch die Alliierten, die einen Angriff erwarteten, hatten ihre Truppen auf der Burg und auf der anderen Seite des Flüsschens zusammengezogen.

Chronisten berichten, dass es neblig war, als die Schlacht um den Ohmübergang an der Brücker Mühle am frühen Morgen des 21. September begann. Den ganzen Tag rannten die Franzosen vergeblich in die Kugeln ihrer Gegner. Aber auch die alliierten Truppen hatten so große Verluste, dass sie Wälle aus toten Soldaten bildeten. Noch in den 50er Jahren fanden Amöneburger Kinder Gebeine von Gefallenen. Das Dachgeschoss des nahegelegenen Wirtshauses wurde völlig zerschossen, die östliche Wand von 60 Kanonenkugeln durchlöchert. Hofbesitzerin Elisabeth Nau hat bis heute eine Galerie von zehn Kanonenkugeln und einer Kartätsche auf ihrem Wohnzimmersims. Gefunden hat sie die Geschosse in ihrem Garten: Hannoveraner Sechspfünder, Hessische Zwölfpfünder und sogar eine 25 Kilogramm schwere Kugel: "Wir waren die Opfer der Engländer", sagt Nau.

In ihrem Haus wurde vor 250 Jahren der Waffenstillstand geschlossen, auf den sich Franzosen und Engländer am 14. November 1762 einließen. Zugleich errichteten die Militärs einen hohen Friedensstein, der bis heute an das Datum erinnert. Ungewöhnlich bei dem Waffenstillstand: Der Wirt erhielt eine Entschädigung, mit der er sein Haus reparieren konnte. Die leidende Amöneburger Bevölkerung ging allerdings leer aus, erzählt Kaul.

Den Friedensschluss werden die Amöneburger am 21. September hochoffiziell bekräftigen: Französische und britische General- und Honorarkonsuls, Hessens Finanzminister Thomas Schäfer und Amöneburgs Bürgermeister Michael Richter-Plettenberg werden eine Urkunde zur "Bekräftigung von Frieden in Europa und Europäischer Verständigung" unterzeichnen. Den Festvortrag hält Volkskundeprofessor Siegfried Becker, der die lokalen Auswirkungen dieser europäischen Krise beleuchtet.

Zugleich können Besucher und Einheimische erfahren, wie es vor 250 Jahren in und um Amöneburg ausgesehen haben mag: Am Freitagabend schlagen uniformierte Soldaten ein Biwak in der Schlossruine auf. Am Tag darauf exerzieren sie auf dem Marktplatz und in den Gassen. Amöneburger Bürger führen ein von Alfred Schneider geschriebenes Theaterstück über den Friedensschluss im Brücker Wirtshaus mehrfach auf. Es gibt eine Romanlesung zum Thema. Dazu erwarten die Besucher Speisen wie zu Friedrichs Zeiten an einer langen Festtafel auf dem Marktplatz.

Ein großer Teil der Festlichkeiten findet auch direkt an der alten Brücke statt, an der damals wie heute die Brücker Mühle steht. In dem heutigen Ausflugslokal mit dem Naturkostladen steht ebenfalls noch eine 250 Jahre alte Kanonenkugel auf dem Sims. Der britische Prinz Charles hat sie bestaunt, als er sich 1997 über den ökologischen Landbau vor Ort informierte.

Die Brücke hat unterdessen eigentlich "gar keine Bedeutung mehr", sagt Agraringenieurin Sabine Walter, die zusammen mit Müllermeister Thomas Kleinschmidt die Mühle betreibt. Die Stadt Amöneburg wünscht sich jedoch, dass die einst umkämpfte Brücke für Autos und Laster gesperrt wird. Dann dürften nur noch Radler und Fußgänger auf das historische Gemäuer.

Siebenjähriger Krieg
Der Siebenjährige Krieg dauerte von 1756 bis 1763. Von Historikern wird er mitunter als ein erster Weltkrieg angesehen. Dabei kämpften der Preußenkönig Friedrich der Große gemeinsam mitEngländern und Hannoveranern gegen Österreicher, Franzosen, Russen, Sachsen, Schweden und Spanier. Der Krieg wurde in Nordamerika, Europa, Indien, der Karibik und auf den Weltmeeren ausgefochten. Preußen und Habsburg ging es um die Vorherrschaft in Deutschland, Frankreich und England kämpften um die Herrschaft auf See sowie in Nordamerika und Indien.
Die hessischen Truppen unterstanden der englischen Führung. Es gelang ihnen aber nicht, das Land vor dem Vormarsch der Franzosen zu schützen. Städte wie Marburg oder Kassel wechselten vielfach den Besitzer. Viele Landstädte wurden in den Ruin getrieben.
Der Siebenjährige Krieg wurde vor allem durch die Erschöpfung aller kriegführenden Parteien beendet. Die Zahl der Toten wird auf mehr als 400 000 geschätzt.
gec

Gesa Coordes

 
Thema der Woche | 20. September 2012

Lachen und Logik

Karikaturen-Ausstellung zum Mathematikum-Jubiläum: 101 Meisterwerke von 45 Spitzen-Karikaturisten – Illustration: Nel

Sie brechen ihr Mathestudium ab, sie schmeißen ihre Lehrerkarriere, sie gehen auf den Bau und auf Akademien – alles "nur", um uns den Alltag zu erheitern und um sich als Zeichner der Komischen Kunst ihr Leben zu verdienen. Ihr Ansehen in Zeitungen und Zeitschriften ist groß, ihre Karikaturen werden geliebt. Vom 27. September bis 14. November 2012 sind 101 Meisterwerke von 45 Spitzen-Karikaturisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz in einer einzigartigen Ausstellung im Gießener Mathematikum zu sehen. Als Höhepunkt zum zehnjährigen Jubiläum des ersten mathematischen Mitmachmuseums der Welt nimmt die Crème de la Crème der Karikaturisten-Szene in der Ausstellung "Mathe macht lustig!" die Mathematik, die sprödesten aller Wissenschaften, endlich einmal ordentlich aufs Korn.

Die Idee zu dieser unterhaltsamen Ausstellung entstand bereits 2010. In diesem Jahr zeigte das Mathematikum seine erste Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem caricatura museum frankfurt – Museum für komische Kunst. Das damals noch junge Frankfurter Museum hatte sich eines zum Ziel gesetzt: "Die Weltherrschaft der komischen Kunst". Die gemeinsame Ausstellung "Robert Gernhardt. Was gibt's denn da zu lachen?" im Mathematikum kam da sehr gelegen. Doch war sie nicht genug: In einer Besprechung mit Achim Frenz, dem Leiter des "caricatura museums frankfurt", entstand die Idee, im Jubiläumsjahr alle Spitzenkünstler der Komischen Kunst für eine gemeinsame Ausstellung zu gewinnen. Dieser spontane Einfall brachte in den Köpfen der Mitarbeiter des Mathematikums Steine ins Rollen – logischerweise, denn das Mathematikum steht für einen völlig neuen, fröhlichen Zugang zur Mathematik. Es war klar, dass eine Kunstausstellung, die einen weiteren unkonventionellen, überraschenden und lustigen Blick auf die Mathematik ermöglicht und dabei den Menschen aus der Seele spricht, perfekt zum zehnjährigen Jubiläum des Mathematikums passt. Also bat man das caricatura museum um Hilfe, holte den Lappan Verlag ins Boot und legte los.

Die bis heute eingereichten Bilder – über 300 an der Zahl – sind unterschiedlicher und vielfältiger in Thema, Technik und Stil als man es je erwartet hätte. Mal ist es F.W. Bernsteins feine Feder, die den Kopf des Hobbydenkers zum Rauchen bringt, mal Steffen Butzs dicker Pinselstrich, der die Zwei, die einzige gerade Primzahl, einsam durch die Prärie reiten lässt, mal "Nels" schlichter Farbauftrag, der die Statistiker im wahrsten Sinne des Wortes daneben liegen lässt, und mal Erich Rauschenbachs plakativer Duktus, der einen Schüler über rechte und linke Winkel philosophieren lässt. Die Ausstellung "Mathe macht lustig!" präsentiert eine Auswahl der besten eingereichten Bilder und schon ein erster Blick auf die Werke macht klar, warum diese einzigartige Ausstellung einen Höhepunkt im Jubiläumsjahr des Mathematikums bildet. Die Karikaturen bestechen durch ihre stilistische Vielfalt, ihren Humor und ihren Ideenreichtum und nicht zuletzt auch deshalb, weil sie zeigen, wie gut die Künstler ihr Handwerk beherrschen und wie "einfühlsam" sie für ihre mathematische Umwelt sind. Prof. Albrecht Beutelspacher, der Leiter und Gründer des Gießener Mathematikums, ist voller Vorfreude auf die kommende Ausstellung in seinem Haus: "Mathematik ist eine der ältesten Wissenschaften. Sie ist durch ihre logische Struktur ein Musterbeispiel für alle Disziplinen. Mathematik ist abstrakt, humorlos und stets in Gefahr, den Kontakt zum "normalen" Leben zu verlieren. Im Mathematikum zeigen wir seit zehn Jahren, dass es auch anders geht. Mit der Ausstellung "Mathe macht lustig!" wird unseren Besuchern eine neue, heitere und kunstvolle Sicht auf die Mathematik geboten."

Achtzig der Spitzen-Zeichnungen werden im zugehörigen, humorvollen Cartoonband "Mathe macht lustig" vom Lappan Verlag präsentiert. Er ist pünktlich zur Eröffnung der Ausstellung am 27. September exklusiv im Mathematikum, ab Januar 2013 auch im öffentlichen Buchhandel erhältlich.

pe/kro

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