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Express Online: Thema der Woche
Express Online: Thema der Woche | 22. Juli 2010

Possenreißer und gaukelnde Wissenschaftler

Das Mittelalter-Theaterfestival in Gießen, Marburg und Umgebung

Mitten im Grün des Gießener Botanischen Gartens, von singenden Vögeln umgeben, warten Zuschauer und Kongressteilnehmer am Sonntag gespannt auf das Theaterstück der englischen Gruppe aus Hull. Hinter der Bühne sieht man bereits das ein oder andere grellbunte Kleidungsstück aufleuchten. Die Turmuhr schlägt zur siebenten Stunde. Die Zeitreise ins England des 15.Jahrhunderts nimmt ihren Lauf. Kurz nach dem letzten Glockenschlag schreitet Mercy (Philip Crispin), ein mittelalterlicher Mönch, durch die Zuschauermenge. Damit beginnt die mittelenglische Moralität "Mankind" und ein schöner Theaterabend an einem historischen und romantischen Ort.

Mankind" ist eines von acht Stücken, die bis zum 24. Juli beim Mittelalter-Theaterfestival der Société Internationale pour l'Étude du Théatre Médiéval (SITM) in Gießen, Marburg, Staufenberg, Braunfels oder auch Rauischholzhausen aufgeführt werden.

Das Festival nach Mittelhessen geholt hat Cora Dietl, Professorin für Deutsche Literaturgeschichte an der Justus Liebig Universität. Vor allem mit den wunderschönen historischen Bauwerken der Region überzeugte Dietl, die diesjährige Schirmherrin des Theaterfestivals, die Mitglieder der SITM. "Mit den vielen Burgen konnte ich vor allem die amerikanischen Kollegen reizen", berichtet die Germanistin.

Sie und ihre Forscherkollegen widmen sich unter dem Dach der SITM der Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Spiele sowie ihrer Rezeption, Reaktualisierungen und Inszenierungen. Alle drei Jahre veranstaltet die SITM eine wissenschaftliche Tagung, die stets von einem kleinen Theaterfestival begleitet wird. Bei dem sich auch die Professoren, Doktoren und Studenten in mittelalterliche Gewänder hüllen und mit dramatischen Gesten vergangene Zeiten zum Leben erwecken. So auch dieses Jahr: "Ich bin eines der zänkischen Weiber, die einen Aufstand gegen König Salomon anzetteln", erzählt Dietl mit einem verschmitzten Lächeln. Ihre Produktion ist im Rahmen eines Germanistik-Seminares entstanden. Vier Monate hat Dietl gemeinsam mit Studenten an dem Fastnachtsspiel "Salomon und Markolf" gearbeitet.

Das englische Stück "Mankind", das das Theaterfestival vergangenen Sonntag eröffnete fand Dietl "super, es ist natürlich sprachlich sehr anspruchsvoll, die Umsetzung war jedoch außerordentlich professionell". "Ja, die haben ordentlich vorgelegt.", bestätigt Dietls Mitarbeiter Heinrich Hofmann. "Ach, aber wir haben auch viel Sprachwitz und sehr viele sprachliche Derbheiten", wirft Dietl ein.

An Derbheiten fehlte es bei dem in englischer Sprachen aufgeführten "Mankind"tatsächlich nicht. Was auch Zuschauer mit geringeren Englischkenntnissen leicht anhand eindeutiger Gesten erkennen. In dem Stück wird ein Kampf um die Seele der Menschheit ausgetragen. Die lasterhaften, fluchenden und derben Agenten des Teufels kämpfen gegen den Mönch Mercy um die Seele des Protagonisten Mankind, der sinnbildlich für die ganze Menschheit steht.

Weil die ursprüngliche Hauptdarstellerin kurz vor der Premiere ausgefallen ist, hat Philip Crispin, Professor für Musik und Drama an der Universität Hull und Regisseur von "Mankind", kurzfristig den Part von Mercy übernommen. Innerhalb von einer Woche lernte er die gesamte Rolle. Auch wenn ihm als Regisseur der Text natürlich sehr vertraut war, eine beachtliche Leistung.

Für Crispin war es ein ganz besonderes Erlebnis, im Botanischen Garten zu spielen. "I love this garden. It is a beautiful place to play!" Besonders freuten den englischen Professor die zahlreichen Vogelstimmen, die das Theaterstück begleiteten und für eine ganz besondere Atmosphäre sorgten. Doch auch auf die anderen Spielorte ist er schon sehr gespannt. Vor allem freut er sich natürlich auf die Burg Staufenberg, auf der die Gruppe aus Hull am letzten Abend des Theaterfestivals noch einmal ihr Stück "Mankind" präsentieren wird. Die Burgruine gebe dem Stücke bestimmt noch einmal eine ganz andere Atmosphäre als der idyllische Botanischen Garten, schätzt Crispin. "I am very excited."

Termine: "Neidhartspiel", Eintritt kostenlos, Do 22.7. 20.00, Marburg Schloss; "The Life and Death of Saint Herring" & Hans Sachs: "Der fahrend Schuler", Eintritt: 6 Euro, erm. 4 Euro, Fr 23.7. 20.00, Schloss Braunfels; "Mankind", Eintritt: 6 Euro, erm. 4 Euro, Sa 24.7. 19.00, Burg Staufenberg

Corinna Wilhelm

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